Liebe im Gepäck (German Edition)
kleinen, leicht affektierten Akzent zu merken, den Gisellein der Öffentlichkeit gerne pflegte und der auf ihre finnische Abstammung hinweisen sollte.
Sie lachte kurz auf: »Weißt du, welches Foto sie genommen haben, Harry?« Sie drehte die Zeitung so, dass er es sehen konnte. »Es wurde Jahre nach unserer Hochzeit aufgenommen. Es war bei einer Modenschau, ich glaube in Mailand. Ich habe als Höhepunkt des Abends ein Brautkleid vorgeführt, und da war der melancholisch-dramatische Blick gefragt. Und nun nehmen sie den zum Anlass, an meinen Gefühlen bei der Hochzeit zu zweifeln. Manchen Journalisten ist aber auch wirklich nichts zu blöd.«
Harry Schlamm lümmelte in seinem bequemen Lederfauteuil, ein Bein lässig über die Armlehne geschwungen, und seufzte unwillig: »Das ist der Grund, warum ich von dieser ganzen Sache nichts mehr hören will. Und wenn wir endlich zu einer Einigung kämen, dann wäre diese Scheidung längst über die Bühne und kein Hahn würde mehr nach unserer Ehe krähen. Rosenkrieg, wenn ich das schon höre! Wir haben uns auseinander gelebt, das ist alles.«
»Eddy meint, ›Schlammschlacht‹ sei erstens ein originelles Wortspiel, wenn man deinen Namen bedenkt, und zweitens eine gute Gelegenheit, dass wir beide nicht so schnell aus den Schlagzeilen verschwinden.«
Es war Giselle anzumerken, dass sie dieser Idee ihres Managers etwas abgewinnen konnte. Seit sie damals mit achtzehn Jahren auf dem Schulhof von einem Mitarbeiter einer Modelagentur angesprochen und zum ersten Fotoshooting eingeladen worden war, waren siebzehn Jahre vergangen. Sie hatte eine Karriere gemacht, die ihresgleichen suchte. Sie lief auf den Laufstegen vonGucci und Lagerfeld, arbeitete für Armani und viele Designer, deren Stern am Modehimmel aufgegangen war, um ebenso rasch wieder zu verglühen. Sie hatte das Cover der bekanntesten Modezeitschriften geziert, nicht nur in Deutschland. Auf der ganzen Welt. Und sie lieh ihr Gesicht Kashido, der bekannten japanischen Kosmetikmarke. Vor drei Jahren hing ihr Konterfei am Times Square in New York. Überlebensgroß.
»Ich bin jetzt fünfunddreißig, Harry. Meine Tage als Model sind gezählt, da brauchen wir uns nichts vorzumachen. – Etwas weiter nach rechts.«
Die letzte Bemerkung galt dem groß gewachsenen, bulligen Mann, der schweigend hinter Giselle stand und ihr gedankenverloren den Nacken massierte. Georg Pernthaler, genannt Schorsch. Aus Niederbayern. Er war ihr Masseur gewesen und vor drei Jahren ihr Geliebter geworden. Jetzt war er ihr Masseur und Geliebter. Harry hatte sich schon geraume Zeit damit abgefunden, dass er seine Frau selten allein antraf. Immer war Schorsch mit von der Partie. Er war ein Mann, der kaum etwas sagte, doch wenn er einmal sprach, dann hatte es Hand und Fuß. Harry und Schorsch hatten sich erstaunlich schnell angefreundet. Für Giselle war es das ideale Leben: Sie war die Ehefrau eines der bekanntesten, eines der meistbejubelten Künstler des Landes. Und sie war die Geliebte eines Mannes, der nur Augen für sie hatte und ihr jeden Wunsch erfüllte, soweit es in seiner Macht stand. Einen Wunsch würde jedoch Schorsch niemandem erfüllen: Er weigerte sich strikt, sich eine geregelte Arbeit zu suchen. Er lebte auf Giselles Kosten, und er lebte gut.
»Deine Anuschka findet auch, dass Eddy Recht hat.«
Anuschka war Harrys Managerin. Eigentlich hieß sie Anna. Anna Horn. Eine schillernde Persönlichkeit in der deutschen Musikszene. Sie war Anfang fünfzig, keiner kannte ihre mollige Figur in etwas anderem als einem perfekt geschnittenen Nadelstreifenanzug. Und kaum jemand nannte sie beim richtigen Namen. Irgendwann, es muss wohl in den siebziger Jahren gewesen sein, da begann sie sich Anuschka zu nennen. Sie erzählte jedem, der es hören wollte, und auch allen anderen, sie hätte diesen Namen von Udo Jürgens bekommen, als sie ihn auf einer seiner Tourneen als Background-Sängerin begleitet hatte. Und das Lied »Anuschka« hätte er damals nur für sie geschrieben. Harry glaubte ihr diese Geschichte nicht. Anuschka blieb jeden Beweis für deren Richtigkeit schuldig. Und dennoch: Seine Managerin war zwar eine sehr tüchtige, aber auch sehr rechthaberische Frau. Hätte er in diesem Punkt mit ihr streiten sollen? Wenn ihr alle anderen die Geschichte abnahmen?
Während Giselle sich wieder daran machte, den Artikel über ihren angeblichen Rosenkrieg weiter vorzulesen, und Schorsch ihr weiter schweigend den Nacken massierte, blickte sich Harry
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