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Liebe im Schnee

Liebe im Schnee

Titel: Liebe im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. Fischer-Fabian
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tadellos.«
    Männer singen gern in Badewannen. Weil Badezimmer eine so schöne Akustik haben. Aus schwächlichen Tenören machen sie grundgewaltige Bässe. Badezimmer sind also wichtig für das Selbstbewußtsein.
    Herr Bremer schlang ein Badetuch um seine fülligen Hüften und stieg plätschernd aus der Wanne. Er stellte sich vor den Spiegel, zog den Bauch ein und drehte sich mehrmals um die eigene Achse. Figur hatte er noch, das würde ihm niemand streitig machen. Die Sechzig sah ihm kein Mensch an. Neulich auf der INTERPEPP, wie sich die alljährliche Tagung der Gewürzimporteure nannte, da hatte ihn einer für dreiundfünfzig gehalten. Kunststück!
    »Der Teufel sitzt uns im Nacken, die Weiber leihn uns ihr Ohr...« Zum dunkelblauen Blazer wählte er eine bordeauxrote Krawatte. Er spritzte etwas Moustache in die Hand und verteilte es sorgfältig auf die frischrasierte Kinnpartie. »Man kennt die Liebesattacken der Jungens vom Garde du Corps.« Das Lied ging ihm einfach nicht aus dem Kopf. Himmel, war das lange her, als er es zum erstenmal gehört hatte.
    Berlin, Theater im Metropol, zwanziger Jahre, große Ausstattungsrevue, die Massary, der Giampietro, Paul Lincke, und mittenmang der Student der Wirtschaftswissenschaften John Henry Bremer (zwei Vornamen, die er der Leidenschaft seiner Heimatstadt für alles Englische verdankte), ja, das waren noch Zeiten!
    Und heute? Heute fronte er tagein tagaus in seinem grauen Büro am Alsterfleet. Wann hatte er eigentlich das letztemal so richtig Urlaub gemacht? Das mußte lange her sein. Ein elender Sklave war man. Und noch stolz darauf.
    »Und gehen wie der Wirbelwind vor. Donnerwetter...« Sorgfältig kämmte er seinen Schnurrbart. Mit der Kleiderbürste fuhr er über die Schulterpartie und entfernte einen imaginären Fussel vom Revers. Nach einem letzten prüfenden Blick auf seine Erscheinung marschierte er federnden Schrittes zur Tür.
    Als er mit der Hand nach dem Lichtschalter oberhalb des Nachttisches griff, warf er etwas um. Es war das in einen Lederrahmen gefaßte Foto einer aschblonden, enorm mütterlich dreinschauenden Frau.
    Der Konsul warf einen kurzen Blick darauf. »Schlaf gut, Muttchen«, sagte er und schob das Bild entschlossen in die Schublade des Nachttisches.

    Es war etwa zwanzig Minuten vor Mitternacht, als der Abend in der Bar »Zur Sonne« seinem absoluten Höhepunkt entgegenschritt. Aus Gründen, die erst viel später ihre Aufklärung finden sollten, befanden sich fast alle Gäste in einem Zustand rauschhafter Lebensgier.
    »Heit geht’s zua wie im Himmel«, fluchte der Wammetsberger junior, der allerhand gewöhnt war, »bloß net so heilig!«
    Die Holländer im Bauernstübchen tranken weiterhin ihre »Grogs« und bewarfen sich mit Brotkügelchen. Fiel ein Kügelchen einer Dame in den Ausschnitt, so knobelten die Herren darum, wer es herausholen durfte. Ein Spiel, das auch den Damen ungeheuren Spaß bereitete. Der dicke van Zanten wurde schließlich disqualifiziert, weil er dreimal hintereinander gewonnen hatte.
    Der Engländertisch sang immer noch Happy birthday und bestellte Höllenwasser. Als das Geburtstagskind erklärte, total pleite zu sein, bestimmte man zwei neue Geburtstagskinder. Als auch die kein Geld mehr hatten, wurde der Hüfthalter von Miss Cora Brown aus Edinburgh als Souvenir versteigert. Das duftige Spielzeug erzielte Höchstgebote.
    Die fünf italienischen Schulkinder aus Jan Kiekebuschs Skigruppe waren wie jeden Abend auch heute noch auf. Sie hatten I einen Coca-Cola-Rausch und jagten mit hellem Jubel den Angorakater Augustus durch die Räume.
    Elisabeth Klötzel aus Köln-Nippes, die Bumsi genannt wurde, stand an der Musikbox und drückte zum elftenmal den diesjährigen Sasionschlager. Hinter ihr stand der Konsul Bremer und sang laut den Refrain mit. Er hatte den sinnigen Text:

»Manche mögen’s weiß,
und manche mögen’s heiß,
doch du, my darling,
magst immer nur gleich, gleich, gleich.«

    »Bärig!« sagte der Konsul. Dann packte er Bumsi an der Taille und zerrte sie in einen abenteuerlichen Tanz, von dem er behauptete, daß er »Herero« hieße. Später entfachte er eigenhändig in dem alten Bauernkamin ein prasselndes Feuerchen, bestellte echten französischen Champagner und taufte die Klötzel von »Bumsi« in »lütt Deern« um.
    »Herr Bremer«, sagte Frau Klötzel, und sprach etwas geziert, »Sie sind ein vitaler Mensch. Sind Sie immer so?«
    »Ich heiße übrigens John Henry, lütt Deem.« Er zog die

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