Liebe im Schnee
war. Bremer wußte nichts davon. Er wußte überhaupt nicht mehr viel von der vergangenen Nacht. Er versuchte, seine Gedächtnislücken zu füllen. Scherbe für Scherbe begann er, aus dem Schutt seiner Erinnerung herauszugraben. Wie ein Archäologe, der eine zertrümmerte antike Vase gefunden hatte.
Da war also die Sirene mit dem Après-Ski aus Schlangenleder. Klotz hatte die geheißen. Nein, etwas kleiner, Klötzel, richtig, Bumsi Klötzel. Eigentlich ein unseriöser Name, überhaupt wohl aus keinem guten Stall. Man hatte »lütt Deern« zu ihr gesagt. Na wenn schon, das war ja schließlich nicht ehrenrührig, du lieber Gott, man hatte einen kleinen Schwips gehabt.
Einen kleinen? Zweifel begannen an Bremers Gewissen zu nagen. Wie alle Verkaterten hatte er das dumpfe Gefühl, sich schlecht benommen zu haben. Hatte er ihr nicht über das Haar gestrichen, als sie den Kopf an seine Schulter legte? »Sie haben Zimmer 15? Wie komisch, dann sind wir ja sozusagen Nachbarn...«, hörte er ihre Stimme.
Sein Blick fiel auf die Couch. Etwas Goldenes blitzte dort hervor. Er fuhr auf. Der Eisbeutel klatschte mit einem häßlichen Geräusch auf den Fußboden. Er ließ sich auf die Knie nieder und stieß mit dem Kopf gegen den Rauchtisch. Seine rechte Hand fuhr unter die Couch und kam mit einem Paar Pantöffelchen hervor. Sie waren mit Gold besetzt. Wie die Pantöffelchen von Aschenputtel. Er starrte auf die Pantöffelchen und überlegte. Er roch daran. Die Pantöffelchen dufteten nach Lavendel.
Es durchlief ihn siedendheiß. Hatte er etwa gestern... War vielleicht diese Frau Klotz oder Klötzchen gestern nacht in seinem, seinem Zimmer ...? Er stotterte sogar beim Denken. Er nahm die Pantöffelchen und stopfte sie in seinen Koffer. Dann nahm er sie wieder heraus und feuerte sie unter die Couch. Dann wollte er sie wieder hervorholen...
Nerven behalten, alter Junge, mußte sich ja alles aufklären. Er würde die Frau einfach fragen, ob er und so... Hatte doch einen grundsoliden Eindruck gemacht, bestimmt eine sehr gute Familie, eine richtige Dame. Hübsche Kette hatte er da gestern gesehen. In der Vitrine am Empfang. Vielleicht würde ihr auch eine Pelzstola...?
Blödsinn, damit machte man sich doch nur verdächtig. Einfach so tun, als sei nichts gewesen. Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts, basta!
Etwas erleichtert bückte er sich nach dem Eisbeutel. Die beiden Teufelchen in seinem Kopf schalteten ihre Preßlufthämmer auf Volldampf. Er stöhnte kläglich. Warum mußte er auch das Höllenwasser mit dem Strohhalm trinken. Und diese Cocktails: den Harem Sour, den Frommen Mönch und die Ohios. Pfui Spinne!
Er ging in das Badezimmer. Der Gürtel des Morgenrocks schleifte hinter ihm her. Er zerkaute angewidert zwei Tabletten und trank einen Schluck Wasser. Aus dem Spiegel sah ihn ein Mann an, den er irgendwo schon einmal gesehen haben mußte. Der Mann war unrasiert, unter seinen Augen hingen düstere Tränensäcke, und der Schnurrbart glich einer uralten Zahnbürste.
Bremer beschloß, diesen Mann zu ignorieren, und latschte ins Zimmer zurück. Wenn Helen hier wäre, würde sie ihm jetzt ein Gläschen warme Milch machen. Mit Honig und Ingwer. Aber Helen war nicht hier. Helen war in Hamburg und hatte ihren Damentee. Er befreite ihr Bild aus der Schublade und stellte es wieder auf den Nachttisch. Wie pflegte doch Syndikus Habermann immer zu sagen: »Ihre Frau Gemahlin ist das beste Geschäft, das Sie je in ihrem Leben gemacht haben, Herr Konsul.«
Ach ja!
Er setzte sich auf den Bettrand und kratzte sich am Hinterkopf. Dieser Skilehrer, dieser..., wie hieß er doch gleich, na, war ja auch egal, der war eigentlich sehr nett gewesen. Hatte einem doch irgendwas gezeigt, der Maestro, irgend etwas gesagt, hatte er doch..., bevor er plötzlich eingeschlafen war, direkt am Tisch, dieser Naturbursche ...
Das Zimmertelefon klingelte.
Bremer nahm den Hörer ab. »Hallo!« krächzte er in den Hörer.
»Wer ist denn Hallo?« gurrte eine Frauenstimme.
»Ja, ich, also Bremer hier. Konsul Bremer.«
»Alles gut überstanden, John Henry? Ach, habe ich schön geschläfert. Wie ein Miezekätzchen. Sag mal, Schnuckiputz...«
»Wieso Miezekätzchen, ich meine, Schnucki, nein Putz... also verdammt noch mal, wer ist denn überhaupt am Apparat?«
»Wat häste denn for ne fiese Laune? Warst doch jestern sone lustige Jeck, John Henry?«
Ogottogottogottogottogott, die Klötzel! Jetzt hatte er sie erkannt. Er räusperte sich energisch. »Liebe
Weitere Kostenlose Bücher