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Liebe im Schnee

Liebe im Schnee

Titel: Liebe im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. Fischer-Fabian
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Bahnsteig zwo auf und ab. Seine ledernen Dienststiefel knarrten laut. Was nicht an den Stiefeln lag, sondern an der Kälte. Sechzehn Grad unter Null zeigte das Thermometer. Damit hatte niemand rechnen können.
    »Das metrolo..., ich meine, das metrono..., also das Radio hat gestern g’sagt«, meinte Obermayer zum Fahrkartenverkäufer, »die Kälten ziagt no’ weiter an.«
    »Ja mei«, sagte der Fahrkartenverkäufer und nickte bedeutungsvoll mit dem Kopf, »und das im März!«
    Die Atombombe, wollte Obermayer gerade sagen, die ist schuld, aber da läutete es. Der Fernschnellzug aus Hamburg mußte gleich einlaufen. Wie an jedem Abend erfüllte es ihn mit Stolz, daß ein solcher Zug (mit Speisewagen, Schlafwagen und Schreibabteil) in Himmelsjoch für drei Minuten Aufenthalt nahm, bevor er in den sonnigen Süden weiterstürmte. Wenn das sein Vater noch erlebt hätte.
    Konsul Bremer turnte betont forsch aus dem Abteil Erster Klasse. Er ließ sich die beiden Schweinslederkoffer nachreichen und winkte mit der Rechten in Richtung Abteilfenster: »Also nochmal, adieu, gnädige Frau, und vielleicht führt uns der Zufall wieder einmal zusammen.«
    Dann drehte er sich energisch um und ließ seinen Blick über den Bahnsteig schweifen. Wo blieb Kiekebusch? Es war doch ausdrücklich abgemacht worden, daß er mich hier erwartet, dachte er. Mit großen Schritten ging er auf die Sperre zu. Der Gepäckträger hatte Mühe, ihm zu folgen. Auf dem Bahnhofsvorplatz hätte er fast ein junges Mädchen umgerannt, das sich hastig durch die Menge schob.
    »Pardon«, sagte Bremer.
    »Es macht nischts«, sagte das Mädchen und wollte an ihm vorbei.
    »Ja, Moment, sind Sie nicht Fräulein Hendricksen?«
    »Isch bin es gewiß«, sagte das Mädchen. Trine blieb stehen und schaute den Mann im Kamelhaarmantel an. »God aften, Herr Konsul!« Vor Überraschung fiel sie in ihre Muttersprache zurück. »Isch bin sehr spät, aber isch hatte noch Bedeutsames ssu spreschen mit Ihrer Toch...« Sie biß sich auf die Zunge und improvisierte einen Hustenanfall.
    Konsul Bremer klopfte ihr auf die Schulter. »Sie wollten sagen, daß sie mit Herrn Kiekebusch gesprochen haben. Was treibt er denn, der junge Mann? Um 20.32 Uhr sollte er doch hier stehen, gestiefelt und gespornt.«
    »Jan, ich meine, Herr Kiekebusch, der hat am Seil gehangen und kann nischt...« Trine war jetzt gänzlich verwirrt. Du gode gud, diese Familie war kompliziert.
    »Na, das können Sie mir ja alles nachher erzählen.«
    Der Toni verstaute die Koffer auf seinem Pferdeschlitten. »Bremer«, sagte der Konsul kurz und lüftete seinen Hut. Denn er war ein sogenannter Kavalier der alten Schule. Eine Spezies, die bekanntlich seit nunmehr 60 Jahren im Aussterben begriffen ist.
    »Toni«, sagte der Toni, und ließ rasch die Schnapsflasche in seiner Manteltasche verschwinden. Dann machte er »Hüa!«, und Flora, die Haflingerstute, trabte schellenklingelnd los.
    Bremer tat dasselbe, was seine Tochter vor knapp einer Woche auf demselben Platz getan hatte. Er sog tief die klare, kalte Luft in die Lungen und war mit einem Schlag guter Laune. Einen Sternenhimmel hatten die hier. Er schaute hinauf zum Firmament und freute sich, daß er den Großen Wagen auf Anhieb entdeckte.
    »Die Hinterachse fünfmal verlängert ergibt den Nordstern. Wußten Sie das, Fräulein Hendricksen?«
    »Isch kenne die Gestirnen nischt, Herr Konsul.«
    Sieht reizend aus, die kleine Freundin meiner Tochter, hatte sie so gar nicht in Erinnerung. Und einen Akzent, einfach süß! Werden überhaupt sehr unterschätzt, die dänischen Mädchen — der Konsul warf einen verstohlenen Blick auf das dänische Profil. Dann riß er sich zusammen.
    »Sagen Sie, Trine, ich darf Sie doch so nennen«, meinte er und seine Stimme klang plötzlich besorgt, »wann haben Sie Kirsten eigentlich das letztemal gesehen?«
    »Kirsten? Och, die ...«
    »Ich hatte nämlich in München Station gemacht und wollte sie überraschen. Aber die war gar nicht da, die Deern. Sie hat da eine Studentenbude in Schwabing, von der Wirtin erfuhr ich, das Fräulein sei verreist, irgendwohin nach Niederbayern, zu einer Freundin, ich habe gleich depeschiert, mit bezahlter Rückantwort. Telefon hatte das Kaff nicht.«
    »Und hat man rückgeantwortet?« fragte Trine stotternd.
    »Nicht die Spur. Habe aber meine hiesige Anschrift hinterlassen. Na, die wird sich schön ärgern, die Kirsten, wollte sie nämlich mitnehmen zu einem kostenlosen Skiurlaub mit allen

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