Liebe im Spiel
unterwürfige, liebeskranke Schwester so etwas wagte.
Lydia kicherte. »Ich hatte totales Nervenflattern. Aber Phil Harding – er ist der Chorleiter – war wirklich geduldig. Tatsächlich habe ich zum ersten Mal seit Anno dazumal eine Notenzeile vom Blatt gesungen. Ich gehe diesen Freitag zur Probe. Phil schwört, dass es dort sehr zwanglos zuginge. Sie fangen gerade erst mit Mozarts Requiem an.«
Das war die längste Rede, die Rufa seit Ewigkeiten von Lydia gehört hatte, und gewiss die längste, die nicht einen einzigen Hinweis auf Ran enthielt.
»Das ist ja großartig«, sagte sie herzlich. Sie nahm ein Stück Butterkuchen von einem Teller. »Hat der große Mann nicht bei einem ihrer Konzerte gesungen?«
Lydia lächelte. »Die B-Moll-Messe von Bach – wir hatten zu wenige Tenöre. Erinnerst du dich nicht? Er stand neben Nancy, und die beiden alberten herum, bis wir vor Lachen fast umkamen.«
Beide Schwestern seufzten.
Rufa sagte: »Dieser Butterkuchen ist fabelhaft.«
»Ich habe ihn heute Morgen mit Linnet gebacken.«
Rufa staunte insgeheim darüber, dass Lydia etwas so Normales tat wie mit ihrem Kind Kuchen zu backen. »Wie, um alles in der Welt, hast du sie daran gehindert, ihn zu verderben?«
»Wir haben beide ein Blech gebacken«, sagte Lydia lachend. »Sie hat ihre verbrannten Bemühungen mit zu Ran hinübergenommen.«
Rufa beugte sich ernst vor. »Das alles ist doch nicht wegen Ran, oder? Bitte sage mir nicht, dass du ihn zurückzugewinnen versuchst, indem du dich in Nigella Lawson verwandelst.«
Lydias Gioconda-Lächeln wankte nicht, aber in ihren sanften, hellen Augen lag eine unterschwellige Härte. »Sei nicht albern. Ich habe beschlossen, dass ich allmählich Dinge für mich selbst tun muss.« Sie zögerte und war sehr ernst. »Ihr habt mir alle seit Jahren gepredigt, ich würde mein Leben vergeuden, und ihr hattet vollkommen Recht. Ich kann nicht herumhängen und auf ihn warten. Ich schulde es Linnet weiterzumachen.«
»Ich glaube es nicht – dass ich diesen Tag noch erleben darf.« Rufa lachte leise. »Warte nur, bis ich es Nancy erzähle.«
Lydia wirkte verwirrt. »Ihr was erzählst? Dass ich einem Chor beigetreten bin?«
»Dass du Ran endlich aufgegeben hast natürlich.«
»O nein«, sagte Lydia. »Das werde ich niemals tun – ich bin noch genauso mit ihm verheiratet wie immer. Aber er muss zu mir kommen. Er muss mich genug wollen, um mich zurückzuerobern.«
Rufa sprach sanft. »Ich sehe wirklich nicht, dass er das tun wird. Polly ist ein sehr entschlossener Mensch, und ich glaube nicht, dass sie hier auf dem Land in Sünde leben will. Sie wird ihn dazu bringen, sie zu heiraten.«
»Er wird sie niemals heiraten«, fauchte Lydia.
Rufa schwieg nachdenklich. Es hatte keinen Sinn, mit Lydia über etwas zu streiten, was mit ihrem Exmann zu tun hatte. Aber ihr neuer Elan war viel versprechend. Es wäre doch phantastisch, wenn bei Lydias Chorproben ein oder zwei anständige Männer auftauchten. Sie war so hübsch – wenn sie nur aufhören würde, in abgenutzten, verblassten Baumwollsäcken herumzulaufen.
»Wir sollten shoppen gehen«, sagte sie impulsiv.
»Was?« Lydia war verblüfft.
»Du bist die Einzige von uns, die noch nicht umgestylt wurde – das Einzige von Melismate, was nicht restauriert wurde. Lass uns nach London fahren und lächerlich verschwenderisch sein.«
»Aber ich kann Linnet nicht allein lassen …«
»Es ist doch nur für einen Tag. Mum und Roger können nach ihr sehen. Oder Ran.«
Lydia schüttelte den Kopf und lächelte mit grimmigem Stolz. »Sie will nichts mit Stinker zu tun haben.«
Rufa kicherte. »Arme alte Polly – es ist nicht sehr spaßig, Linnet zum Gegner zu haben. Bei Mum wird es ihr jedoch gut gehen. »Komm schon, Liddy. Es wird großartig werden. Wir können Nancy besuchen, und Wendy – ich habe sie alle nicht mehr gesehen, seit wir aus Italien zurückgekommen sind.«
»Bist du sicher? Ich meine, ich habe kein Geld.«
Rufa griff über den Tisch nach Lydias Hand. »Du brauchst keines. Das geht auf mich. Du wirst vollkommen runderneuert, und dann sollte Ran besser aufpassen, weil du in Meilen Umkreis die umwerfendste Frau sein wirst.«
Kapitel Vier
Und als Erstes solltest du, wenn wir ankommen, dein Haar abschneiden«, sagte Tristan. »Es ist wunderschön, aber du wärst mit ungefähr siebzig Prozent weniger noch hübscher.«
Lydia begann: »Oh, ich glaube nicht, dass ich etwas so Drastisches tun könnte …«
»Du bist ein
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