Liebe im Spiel
hättest es zu keinem besseren Zeitpunkt tun können. Wann hat das Semester am Hildy’s angefangen? Mum, du solltest besser heute noch Mrs. Cutting anrufen.«
»Das habe ich schon getan«, erklärte Selena gelassen. »Sie war der erste Mensch, den ich angerufen habe, nachdem ich mir den Schlick von den Füßen gewaschen hatte. Sie sagte, sie würde mich gerne wieder aufnehmen.«
»Du hast einfach Mrs. Cutting angerufen und verkündet, du kämst zurück?« Rufa war beeindruckt. »Gott, das hätte ich niemals gewagt.«
»Du bist ja auch ein Feigling«, sagte Selena, nicht unfreundlich. »Du weißt nie, welche Regeln du brechen kannst, also gehorchst du jeder einzelnen.«
»Tue ich das? Nun, ich bin auch nicht zu Höherem bestimmt.«
Rose empfand Rufas Reaktion als ein wenig entrückt, ein wenig gezwungen. Selenas Rückkehr zur Schule war für sie der letzte heiß ersehnte Traum, also warum war sie nicht außer sich vor Entzücken? Was war los mit ihr?
Unmittelbar fragte Rose: »Wie geht es übrigens Tristan?«
Rufa zuckte zusammen. Mit auffallend ruhiger Stimme sagte sie: »Nun, gut – er sitzt eifrig über seinen Büchern, weil die Alternative wäre, Tomaten zu pflücken.«
»Schade, dass er drüben wohnt«, sagte Rose, scheinbar beiläufig. »Er hätte genau das richtige Alter für Selena.«
Rufa zuckte erneut, nun verärgert, zusammen. Zwischen ihr und Selena bestanden zehn Jahre Altersunterschied. Sie durchschaute den Versuch ihrer Mutter, beiläufig zu klingen, und war entschlossen, nichts preiszugeben. »Tatsächlich ist er ein ganzes Stück älter. Fast einundzwanzig.«
»Oh, es ist kein so tiefer Graben zwischen zwanzig und siebzehn.« Rose ließ den Rest des Satzes – bezüglich des tieferen Grabens zwischen gerade mal zwanzig und fast achtundzwanzig – lautlos widerhallen.
»Er ist sehr reif für sein Alter«, sagte Rufa kühl, wohl wissend, dass er das genaue Gegenteil war. »Manchmal denke ich, er ist reifer als ich.« Sie erhob sich. »Ich muss gehen.«
»Warte …« Etwas ließ Rose sie aufhalten. Sie umarmte ihre Tochter heftig. »Komm bald zurück, ja, Liebling? Bitte lass es bis zum nächsten Mal nicht wieder so lange dauern.« Sie konnte das Gefühl nicht abschütteln, sie verloren zu haben. Rufa beugte sich herab, gab ihr wortlos einen Kuss auf die Wange und lief fast zu ihrem Wagen.
Später, als Selena Linnet eine Geschichte vorlas, goss Rose sich einen heilkräftigen Gin-Tonic ein und grübelte. Musste sie sich Vorwürfe machen, weil Rufa diese opfervolle Ehe durchmachte? Alle ihre Instinkte hatten dagegen gesprochen. Hatte sie sie ignoriert, weil sie so verzweifelt das Geld brauchten? Wenn sie die Augen offen gehalten hätte – hätte sie es dann kommen sehen?
O Gott, dachte sie, bitte zeige dich, damit ich an dich glauben und mit einem dringenden Gebet Kontakt zu dir aufnehmen kann. Bitte mach, dass ich mich wegen Rufa irre – aber falls nicht, dann pass bitte auf sie auf.
Kapitel Neun
Also hat der Schulvorstand dafür gestimmt, das Stipendium zu verlängern«, sagte Mrs. Cutting. »Wahrscheinlich hat das Vogue -Cover geholfen. Ich brauchte jedenfalls nicht allzu sehr zu betteln.«
»Ich danke Ihnen«, sagte Rose inbrünstig. »Ich danke Ihnen so sehr.«
Die Schulleiterin von St. Hildegard’s hatte unmittelbar nach dem Treffen des Direktoriums in Melismate vorgesprochen, um Rose die Nachricht zu überbringen, dass Selenas Stipendium, trotz ihres schrecklichen Benehmens während des letzten Jahres, gesichert war.
Sie war sehr überrascht und eher beunruhigt gewesen, Mrs. Cutting auf ihrer Schwelle zu sehen. Aber Selena – strahlend und unglaublich tugendhaft – hatte ihre Schulleiterin und ihre Mutter wie selbstverständlich in den Salon geführt.
Rufa hatte den einst schäbigen, leeren Raum verwandelt. Während der großen Renovierung hatte sie Vorhänge aus schwerer, indischer Seide angebracht, verschiedene ramponierte persische Teppiche geflickt und die Alkoven mit Büchern ausgestattet. Sie hatte die unverkäuflichen Familienporträts gereinigt und neu gerahmt, sodass nun schlecht gemalte Hasty-Vorfahren von den Wänden herabblickten: ein Hasty aus dem achtzehnten Jahrhundert, amateurhaft wie bei einem Kneipenschild auf Holz geschmiert; ein spätviktorianischer Hasty, der anscheinend in mehreren Schattierungen von Bratensoße dargestellt war; ein Hasty von 1930 in groben Pastellfarben. Rufa hatte ein riesiges Knole-Sofa und zwei Sessel gekauft, die nun vor dem
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