Liebe im Spiel
Kamin standen. Zu Roses Überraschung hatte Selena mit Holzscheiten ein kleines Feuer angezündet, um die Herbstkälte fern zu halten.
»Sie waren überaus freundlich und bewundernswert geduldig«, sagte Rose. »Ich glaube wirklich, dass sie es dieses Mal nicht wieder vermasseln wird. Ich kann sie nicht dazu bringen, mir genau zu erzählen, was in London passiert ist, aber sie ist so viel glücklicher, seit sie zurückgekommen ist.«
»Ich will ihr Vertrauen entgegenbringen«, sagte Mrs. Cutting ernst. »Es war vollkommen offensichtlich, warum sie im letzten Jahr so schwierig war. Es war ihre Reaktion auf den Verlust ihres Vaters.«
Rose seufzte, sehnte sich plötzlich sehr nach dem großen Mann – der so fern und bei allen Planungen so völlig außen vor war. »Ich habe mein Bestes getan, aber es war unmöglich, zu ihr durchzudringen. Das Schweigen war schrecklich – schlimmer als die Ausbrüche. Manchmal dachte ich, sie wollte sich in sich selbst zurückziehen, bis sie verschwände.«
»Mrs. Hasty, ich mache Ihnen keine Vorwürfe. Ich weiß, dass es für Sie alle eine schreckliche Zeit war.«
Die Tür öffnete sich. Selena kam mit einem Teetablett herein. Sie stellte es auf die antike Kiste auf dem Kaminvorleger, und Rose bemühte sich, den Eindruck zu erwecken, als sei dies das Natürlichste von der Welt. Selena hatte richtigen Tee bereitet, in einer Teekanne, und die neuen Tassen und Untertassen ausgepackt, die Rufa bei Heal’s gekauft hatte. Sie goss feierlich ein. Rose beobachtete sie mit den Augen einer Fremden – diesen ausgeglichenen, anmutigen und vollkommen vorzeigbaren Teenager. Es erstaunte sie zu sehen, wie ihre Töchter sich neu erfanden. Der große Mann hätte die grünen Schösslinge nicht wieder erkannt, die aus den Ruinen seiner Familie entsprangen.
»Ich werde jetzt gehen, wenn Sie nichts dagegen haben«, sagte Selena zu Mrs. Cutting. »Ich habe versprochen, Linnet etwas vorzulesen.«
»Natürlich habe ich nichts dagegen. Ich sehe dich am Montag in der Schule.« Als der nicht wieder zu erkennende Ausbund an Tugend den Raum verlassen hatte, wandte sich Mrs. Cutting wieder Rose zu. »Wissen Sie, an wen sie mich erinnert, jetzt wo diese schreckliche Zahnspange entfernt ist? Sie ist ganz ähnlich wie Rufa im selben Alter.«
Mrs. Cutting mochte Rufa gerne. Sie hatte dem großen Mann nie verziehen, dass er seiner Erstgeborenen die Universität ausgeredet hatte. Seitdem hatte sie Rufa regelmäßig auf ihren Dinnerpartys zum Kochen eingestellt, und sie hatte alle Mädchen beunruhigt, indem sie auf ihrer Hochzeit erschienen war.
»Ja, da ist vermutlich eine Ähnlichkeit«, sagte Rose nachdenklich. »Sie hatte dieselbe angeborene Fähigkeit, Dinge richtig zu machen.«
»Wie geht es Rufa?«, fragte Mrs. Cutting freundlich.
»Gut!«, erklärte Rose mit etwas zu großem Enthusiasmus.
»Es muss wunderschön für Sie sein, sie so in der Nähe zu haben.«
»O ja. Wunderschön!«
»Was fängt sie inzwischen mit sich an? Will sie weiterhin kochen?«
»Sie … sie versucht sich noch zu entscheiden«, improvisierte Rose. Sie hatte Rufa seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Was fing sie mit sich an? Rose konnte der alten Schulleiterin ihrer Tochter schlecht sagen, dass sie den starken Verdacht hegte, Rufa habe eine verrückte Affäre mit dem angeheirateten Neffen ihres Mannes.
Mrs. Cutting sagte: »Rufa war diejenige, um die ich mir die meisten Sorgen gemacht habe, als Ihr Mann starb. Sie standen sich außerordentlich nahe, nicht wahr? Ich fürchtete, sie würde den Schock nicht verarbeiten können.«
Da hatten Sie Recht, dachte Rose. Sie kennen sie besser als ich. Sie hat mir monatelang etwas vorgemacht.
»Aber sie scheint es wirklich gut bewältigt zu haben«, fuhr Mrs. Cutting fort. »Ich habe noch nie solch eine phantastische Braut gesehen. Rufas Hochzeit war für mich ein echtes Symbol der Erneuerung. Ich hätte sie um nichts auf der Welt verpassen wollen.«
Vor dem Fenster, jenseits der dicken Falten indischer Seide, hörten sie Reifen auf dem Kies knirschen. Rose wand sich aus dem unvertrauten Sofa, um in die herabsinkende Dämmerung hinauszuschauen. »Rufas Wagen«, sagte sie glücklich. »Nun können Sie sie selbst fragen.«
Aber es war nicht Rufa. Wäre Mrs. Cutting nicht da gewesen, hätte Rose laut aufgeschrien. Edward. Was tat Edward hier, wo doch alle annahmen, er sei noch in Den Haag? Und warum war er allein? Es war nicht mehr hell genug, um den Ausdruck auf seinem Gesicht
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