Liebe im Spiel
bevor ich ganz verschwand.«
Rufa beobachtete einen der Schwäne, der im Graben unter ihnen seine Bahn zog. »Ich wünsche dir, dass du über Ran hinwegkommst.«
»Er auch, aber es hat keinen Zweck. Ich kann es nicht. Niemand von euch versteht das. Er ist der einzige Mann, den ich je geliebt habe.«
Die historische Vereinigung von Lydia und Ran war Teil der Familienlegende. Lydia hatte ihr Herz und ihre Unschuld im Alter von vierzehn Jahren an Ran verloren, als er aus Indien zurückkehrte, um auf Semple Farm zu leben. Rufa konnte sich an Lydia in jenem Sommer deutlich erinnern, wie sie in der warmen Dämmerung nach Hause schwebte, das Haar voller Stroh. Sie war mit einem Barfuß-Dasein glücklich. Sie war nie materialistisch gewesen. Ebenso wie Ran, lebte sie zufrieden in der Seifenblase der Gegenwart, mit nur einer sehr oberflächlichen Vorstellung davon, dass es so etwas wie eine Zukunft gab.
Und noch eine deutliche Erinnerung kam Rufa an ihrem Hochzeitsmorgen, die Erinnerung an Lydia als Braut. Ihre reine Schönheit hatte die Torheit des Ereignisses verwandelt.
Beim Hauptteil der Zeremonie, als Ran und Lydia auf der Wiese ihre selbst erdachten Schwüre leisteten, war der große Mann untröstlich gewesen. Lydia hatte barfuß im hohen Gras gestanden, Wildblumen ins Haar gewunden, so ätherisch schön wie ein Traumkind aus der Zeit König Eduards. Das laute Schluchzen des Mannes hatte ihre zögernde Stimme fast übertönt, als sie versprach, Ran zu lieben, bis die Sterne erkalten würden.
Lydia hatte ihre Seite des Handels gewiss eingehalten. Sie hatte nie einen anderen Mann angesehen. Sie war davon überzeugt gewesen, dass die Ehe Ran dauerhaft festhalten würde, und war noch immer erstaunt darüber, dass dem nicht so gewesen war. Sie klammerte sich an den Glauben, dass er zurückkommen würde, und nichts, was ihre Mutter oder ihre Schwestern sagten, änderte etwas daran.
Rufa beneidete Lydia insgeheim um ihr so sicheres Festhalten an der Ehe. Sie wünschte, sie könnte ebenso sicher sein, dass sie wahrhaft geliebt wurde. Der Gedanke an Edwards Liebe ließ sie nicht mehr erröten. Sie sehnte sich nach einem Zeichen dafür, dass er sie wirklich liebte. Seit seiner Rückkehr aus Paris, in all diesen Wochen, war Edward distanziert und beschäftigt gewesen, bereitete sich mit einer Art grimmiger Resignation auf die Hochzeit vor, die nicht zu Jonathans faszinierender Beschreibung eines Mannes im Griff wilder Leidenschaft passte. Über Prudence sagte er nur, dass ihre Begegnung »schwierig« gewesen sei. Er hatte zornig gewirkt, und Rufa wagte es nicht, ihn um Einzelheiten zu bedrängen, nach denen sie sich jedoch sehnte. Tatsache war, dass Prudence und ihr Sohn – Edwards einzige Familie – nicht zur Hochzeit kamen.
Das mochte ein Zeichen der Missbilligung sein. Oder dass Prudence es nicht ertragen konnte, eine Fremde an der Stelle ihrer Schwester zu sehen. Rufa versuchte sich vorzustellen, wie sie sich an Prudences Stelle fühlen würde.
Edward hatte ihr erklärt, er sorge sich um eine Angelegenheit, die mit seiner Zeit in der Armee zu tun hätte. Nach seiner Rückkehr aus Paris war er sofort nach London entschwunden. Er hatte sich erneut geweigert, ins Detail zu gehen, obwohl sein Gesicht und seine Stimme Qual und Zorn ausgedrückt hatten. Edward konnte nicht gut erklären, was die Angelegenheit nur noch geheimnisvoller machte. Rufa spürte, dass ihn etwas sehr bedrückte, und sorgte sich, dass es die bevorstehende Hochzeit sein könnte. Sie wünschte, Edward würde ihr genug vertrauen, sich ihr zu offenbaren. Er hatte ihr Zuhause gerettet, aber das genügte nicht. Es bedrückte Rufa, wie viel Vertrauen man aufbringen musste, wenn man sein Herz in die Hände eines praktisch Fremden legte.
Rufa hatte Clare Seal gebeten, ihr Hochzeitskleid zu entwerfen und anzufertigen. Sich selbst überlassen, hätte sie etwas Konventionelleres gewählt. Sie musste jedoch zugeben, dass Clare eine Eingebung gehabt hatte. Nachdem sie gesehen hatte, welche Eleganz Rufa der gelben Crèpe verlieh, hatte sie eine weitere schmale Säule gestaltet, diagonal geschnitten, in Anlehnung an die dreißiger Jahre, in schwerer, weißer Seide. Das Kleid ließ Rufas Schultern und Arme frei und war von unbarmherziger Einfachheit. Der Schleier war aus zarter, weißer Seide, die in Bausch und Bogen um sie lag. Er wurde von der Diamant-Tiara der alten Mrs. Reculver gehalten, die Edward unerwarteterweise aus einem Tresorraum ausgegraben
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