Liebe im Zeichen des Nordlichts
überzeugen müssen, nicht etwa den Hund. Sie hatte ihr Gepäck aufs Bett geworfen und sich nach oben geflüchtet.
Gemeinsam hatten Addie und Della Hughs Bett hinunter ins Wohnzimmer geschleppt, das Sofa ins Esszimmer geschoben und die Flügeltür geschlossen. Natürlich hatte er sich anfangs darüber beklagt, aber inzwischen hatte Addie den Eindruck, dass es ihm gefiel. So zu leben, seinen ganzen Alltag auf ein Zimmer zu konzentrieren und sich mit seinen liebsten Dingen zu umgeben, das hatte etwas Majestätisches an sich. Dass er sich mit dem Arrangement abgefunden hatte, wurde klar, als er sie bat, den Jack Yeats aus dem Schlafzimmer zu holen und ihn über das Sideboard zu hängen.
Inzwischen lag der Unfall eine Woche zurück, und noch immer hatte ihn keiner seiner Freunde besucht. Allmählich fragte sie Addie, ob er überhaupt welche hatte. Hugh schien das gar nicht aufgefallen zu sein.
»Hast du gefrühstückt?«
»Oh, ja«, erwiderte er. »Der stets so hilfreiche Hopewell hat mir Toast gemacht.«
Hopewell war der leidgeprüfte Krankenpfleger, den sie eingestellt hatten, damit er Hugh morgens beim Aufstehen und Anziehen half. Selbstverständlich kann er ihn nicht ausstehen. Hopewell zu hassen ist während der Genesungszeit eines seiner zentralen Themen geworden.
Hopewell kommt aus Nigeria. »Pechschwarz wie das Pikass«, pflegte Hugh es auszudrücken.
»Ich hoffe, ich habe da keinen Anflug von Rassismus herausgehört«, hatte Addie ihn getadelt.
»Ganz im Gegenteil«, hatte Hugh entgegnet. »Meine Einstellung zu Hopewell beruht auf dem genauen Gegenteil von Rassismus. Wie ich annehme, gibt es auf dem afrikanischen Kontinent jede Menge sehr tüchtiger Krankenpfleger. Deshalb begreife ich einfach nicht, wie wir angesichts dieser millionenfachen Auswahl an einen derart unfähigen Menschen wie Hopewell geraten konnten.«
Was Hopewell von ihrem Vater hält, darüber denkt Addie lieber gar nicht erst nach.
Hopewell ist groß, weit über eins achtzig. Außerdem ist er schwarz, wirklich pechschwarz. Seine Augen sind cremefarben, sein Lächeln ist waschpulverblau. In die Lücke zwischen seinen Vorderzähnen würde eine Euromünze passen.
Im Flur zieht er immer die Schuhe aus. Niemand weiß, ob das eine Sitte aus seiner Heimat ist oder ob er glaubt, dass das von ihm erwartet wird. Der Anblick, wie er auf Strümpfen durchs Haus geht, ist ein wenig zu vertraulich, doch niemand sagt etwas zu ihm, um seine Gefühle nicht zu verletzen.
Er stammt aus Lagos. Als Addie ihn fragte, aus welchem Teil von Nigeria er denn käme, schien ihn die Frage zu erstaunen. Ich bin aus Lagos, antwortete er, als ob man sonst nirgendwoher kommen könne. Er teilte ihnen mit, er sei zu Hause auch Krankenpfleger gewesen, was sie ihm glauben mussten, weil es keine Möglichkeit gab, das nachzuprüfen.
Wenn er mit dem Patienten allein ist, kann er recht gesprächig sein. Offenbar hat er bis jetzt noch nichts von dessen Abneigung bemerkt. Oder es kümmert ihn nicht. Er verstummt, sobald Addie erscheint.
Er ist pünktlich. Jeden Morgen ist er Schlag acht Uhr da. Addie hört, wie er erst klingelt und danach die Tür aufschließt. Dann macht er sich voller Tatendrang ans Werk, wobei der Ablauf des Morgens bis ins kleinste Detail mühsam ausgehandelt werden musste.
»Er darf mir den Pyjama aufknöpfen, aber ausziehen kann ich ihn selbst. Er kann das Badewasser einlassen, doch er wartet draußen, bis ich fertig bin. Das Handtuch reichen soll er mir, doch ich bestehe darauf, mich selbst abzutrocknen.«
Hatte Della nicht gesagt, sie fühle sich an eine ganz besonders anspruchsvolle Filmdiva erinnert?
Nachdem Hopewell ihm bei seiner sogenannten »Morgentoilette« assistiert hat, hilft er ihm in frische Unterwäsche und einen sauberen Pyjama. Danach zieht er ihm über den Schlafanzug seine Sachen an. Das ist zwar ziemlich sonderbar, scheint jedoch zu funktionieren. Oben trägt er seine übliche Kleidung, unten eine Jogginghose. Eine schreckliche Entwürdigung, allerdings die einzige Möglichkeit, wenn er allein zur Toilette gehen möchte.
Nach dem Frühstück sieht Addie nach ihm. Sie hebt die Zeitung vom Fußboden in der Vorhalle auf, bringt sie ihm und breitet sie vor ihm auf dem Tisch aus, damit er die Titelseite überfliegen kann. Manchmal trinken sie zusammen Kaffee. Später trifft dann Mrs. Dunphy ein. Vor dem Unfall kam sie nur für einige Stunden pro Woche, inzwischen jeden Tag. Sie erledigt seine Einkäufe, bringt die Post weg,
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