Liebe im Zeichen des Nordlichts
schaltet die Waschmaschine ein und bügelt. Bevor sie geht, kocht sie das Mittagessen und serviert es ihm auf einem Tablett am Schreibtisch. Beim Essen schaut er aus dem Fenster.
»Daran könnte ich mich gewöhnen, Mrs. Dunphy«, sagt er, ohne sich umzudrehen. Er will nur nett zu ihr sein. Doch inzwischen ist der Zug für sie beide abgefahren. Sie streckt ihm hinter seinem Rücken die Zunge heraus und verschwindet.
Am Abend bringt Addie dann die Sachen fürs Abendessen. Für gewöhnlich eine Fertigmahlzeit für zwei Personen, die man ins Backrohr schieben, auf vorgewärmten Tellern servieren und als hausgemacht ausgeben kann.
Während das Essen gart, hilft sie ihm beim Ausziehen, soweit er das zulässt. Sie schnürt ihm die Schuhe auf, damit er herausschlüpfen kann. Sie streift ihm den Pullover über den Kopf, wobei sie darauf achten muss, dass die Brille nicht herunterfällt. Und sie knöpft ihm das Hemd auf. Aus der Jogginghose schafft er es allein. Und dann steht er wie durch Zauberhand wieder im Pyjama da, ohne dass er sich eine Blöße hätte geben müssen.
Anschließend geht er zu Bett. Addie zündet das Kaminfeuer an und legt die DVD bereit. Nachdem sie seine Sachen gefaltet und auf einem Stuhl drapiert hat, holt sie die Getränke. Ein Glas Rotwein für sich und ein Glas Tyrconnell für ihn. Sein Schrank quillt über von unangebrochenen Whiskeyflaschen, alles Geschenke von dankbaren Patienten.
Addie gießt den Whiskey in ein Kristallglas und steckt einen Strohhalm hinein. Da ihm nichts anderes übrigbleibt, hat er sich rasch daran gewöhnt, Whiskey mit dem Strohhalm zu trinken.
Mit der Bette-Davis- DVD -Box sind sie schon fast durch. Sie haben bereits
Reise aus der Vergangenheit
und
Ich will mein Leben leben
gesehen.
»Was hältst du davon, wenn wir uns heute Abend
Die alte Jungfer
anschauen?«, fragt sie.
»Geht das nicht ein bisschen ans Eingemachte?«
»Sehr witzig.«
Er will sie nicht kränken, so ist er nun einmal. Er liebt Addie. Sie ist sein Lieblingskind. Vermutlich ist sie der Mensch auf der Welt, der ihm am meisten bedeutet.
Bevor sie wieder nach unten ging, hat sie ihm aus dem Krug auf dem Nachttisch Wasser eingeschenkt und nachgesehen, ob sein Stock auch am Schreibtisch lehnt, wo er hingehört.
»Ich muss noch mal mit dem Hund raus, aber ich schaue später nach dir. Sei brav.«
Er blickte mit finsterer Miene aus dem Fenster.
»Sei vorsichtig da draußen. Er könnte sich hier herumtreiben.«
Sie warf sich die Wäsche über die Schulter wie einen Sack.
»Das ist doch albern«, erwiderte sie, bereits an der Tür. »Wir sind ja praktisch Gefangene in unserem eigenen Haus.«
Er erhob die Stimme und beobachtete weiter die Straße.
»Dein Leichtsinn gefällt mir nicht. Schließlich ist der Feind nicht weit.« Inzwischen schien er die Dramatik zu genießen. Schließlich hatte er sonst nichts zu tun.
Obwohl er hörte, wie sich die Tür hinter ihr schloss, sprach er weiter mit ihr, als sei sie noch im Zimmer.
»Dieser Bursche hat etwas von
Beim Sterben ist jeder der Erste
an sich«, sagte er.
[home]
Kapitel 5
S ie bemerkte ihn, sobald sie die Straße überquerte, er war ja auch kaum zu übersehen. Ein kräftig gebauter Mann in einer dick wattierten Jacke und mit einer komischen Mütze auf dem Kopf. Er saß auf der letzten Bank, der, die gleich neben den Stufen stand.
So früh am Morgen sitzen die Leute normalerweise nicht auf den Bänken herum, sondern tun irgendetwas Produktives. Entweder führen sie ihre Hunde auf der Promenade herum, joggen oder betreiben Powerwalking. Schemenhafte Gestalten, die in der Dämmerung an einem vorbeiflitzen. Für gewöhnlich sind sie mit irgendeinem Gerät zum Abspielen von Musik verkabelt oder in dicke Schals gehüllt. Um diese Uhrzeit achtet niemand auf den anderen. Das ist eine stillschweigende Übereinkunft.
Vielleicht fiel er ja deshalb auf. Ein Mensch, der morgens auf einer Bank saß, verhielt sich eindeutig merkwürdig. Etwas stimmte nicht mit ihm.
Addie beschloss, ihn sich aus der Nähe anzusehen.
Sie überquerte an der üblichen Stelle die Straße, indem sie vom Gehweg auf die Fahrbahn trat und Ausschau nach einer Lücke im Verkehr hielt. Abzuwarten, bis die Ampel auf Rot umsprang, war ihr zu lästig. Auf der anderen Seite hob sie den Hund hoch, warf ihn über die Kaimauer, kletterte selbst hinauf, blieb einen Moment rittlings sitzen und schwang dann die Beine nacheinander hinüber.
Um zur Treppe zu kommen, musste sie an dem Mann
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