Liebe im Zeichen des Nordlichts
wickelte es in Luftpolsterfolie und legte es in den Kofferraum. Sie überlegte kurz, ob sie es ihm zurückgeben sollte. Aber vielleicht war es ja das Einfachste, es einer Wohltätigkeitsorganisation zu spenden.
Einige Wochen lang fuhr sie mit dem Bild im Kofferraum herum. Und dann, eines Tages, hielt sie an und warf es in einen Müllcontainer am Straßenrand. Sie tat es nicht aus Wut, Verbitterung oder Trauer, sondern war einfach nur zu dem Schluss gekommen, dass ihr das Bild ohnehin nie gefallen hatte. Sie hatte es nur aus Höflichkeit aufgehängt. Außerdem war sie absolut sicher, dass es nie etwas wert sein würde.
»Gut, dass du den miesen Kerl los bist«, sagte Della jedes Mal, wenn die Sprache auf ihn kam.
»David, wer war das noch mal?«, versuchte Simon, sie aufzumuntern.
»Ich habe ihn in die Wüste geschickt«, verkündete Hugh dann stolz. »Da hatte er die Rechnung ohne den Wirt gemacht.«
Addie bedauerte wirklich nicht, dass er fort war. Sie wusste, dass er nichts taugte und dass er die Prüfung nicht bestanden hatte. Die Sache war nur, dass niemand sie gefragt hatte, was sie eigentlich wollte.
Es war keiner auch nur auf den Gedanken gekommen.
Hatte sie David je geliebt? Rückblickend betrachtet, eher nicht. Ja, sie hatte sich von ihm angezogen gefühlt, denn er war genau ihr Typ: langhaarig, schlaksig und mit dem Äußeren eines Luftikus. Als er sich mit ihr verabreden wollte, hatte sie sich geschmeichelt gefühlt. Sie war sich nicht sicher gewesen, was er an ihr fand, doch der Gedanke, dass da wohl etwas sein musste, war beruhigend.
Es fiel ihr leicht, sich an seinen Lebensstil zu gewöhnen, und so lösten Vernissagen und Nachtclubbesuche einander ab. Sie gingen zu Abendeinladungen, wo die Gäste bei Tisch offen ihre Joints zückten, und tranken literweise Rotwein. An den Wochenenden hingen sie herum und pflegten ihren Kater. Sie ernährten sich hauptsächlich vom Heimservice und sahen viel fern. Und zwischen all den Feten und den Katern gelang es ihnen sogar, hin und wieder ein wenig zu arbeiten. Keiner erwartete viel vom anderen, was eine angenehme Geborgenheit vermittelte. Aber nein, sie hatte sich keinen Moment lang in dem Irrglauben gewiegt, dass sie ihn liebte.
Das Schlimme war nur, dass sie sechs Jahre ihres Lebens an ihn verschwendet hatte.
Nach der Trennung von David hatte sich Addie in die Arbeit gestürzt. Rund um die Uhr zu schuften war ihre Methode, der Misere zu entfliehen.
Anbauten waren momentan der letzte Schrei. Offenbar wollte die ganze Welt plötzlich einen Anbau haben. Und allen schwebte der gleiche Anbau vor, eine lichtdurchflutete Küche im amerikanischen Stil mit Küchenblock und Glastüren, die in den kläglichen Überrest ihres Gartens führten. Sie forderten Veluxfenster, Pastelltöne und Designerfliesen. Und Addie las ihnen jeden Wunsch von den Augen ab.
Und dann, beinahe über Nacht, blieben die Aufträge aus.
Als das Telefon in der ersten Augustwoche zu läuten aufhörte, schob Addie das zunächst auf die Urlaubszeit. Doch der September kam, ohne dass sich etwas daran geändert hätte. Addie überwachte die Fertigstellung der noch offenen Projekte, hakte die Mängellisten ab – und dann hatte sie nichts mehr zu tun.
Zu ihrem Erstaunen stellte sie fest, dass sie das überhaupt nicht störte. So wie immer setzte sie sich jeden Morgen an den Zeichentisch, nur dass sie nicht mehr ständig vom Telefon gestört wurde. Sie musste keine grässlichen Beratungsgespräche, endlosen Tassen Kaffee oder ausführlichen Debatten über die Eignung von Travertin als Belag für den Küchenfußboden über sich ergehen lassen. Und auch das ewige Brüten über Farbkarten von Farrow and Ball blieb ihr erspart. Es hatte sie unglaubliche Selbstbeherrschung gekostet, stillzusitzen und zu nicken, als ob sie dieser Mist interessierte. Am liebsten wäre sie nämlich laut schreiend aufgesprungen. Das ist doch scheißegal, du blöde Kuh! Sie hatte Mühe gehabt, es sich zu verkneifen.
Auf das Geld dieser Leute war sie nicht angewiesen, was es noch schwieriger machte, sie zu ertragen. Ihre Wohnung war abbezahlt, sie brauchte keinen Kredit zu tilgen. Außerdem war noch genug Geld von ihrer Mum übrig, um ihr Auskommen zu sichern. Sie gab ohnehin kaum etwas aus.
Also hatte Addie kein Problem damit, dass die Aufträge ausblieben. Sie nahm die Farbkarten aus ihrem Aktenkoffer und hängte sie über ihrem Schreibtisch an die Wand. Wenn man sie von ihrer Zweckgebundenheit befreite und ihnen
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