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Liebe im Zeichen des Nordlichts

Liebe im Zeichen des Nordlichts

Titel: Liebe im Zeichen des Nordlichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen MacMahon
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feststellte, dass sie nicht da war.
    Beim dritten Mal fällte er eine Entscheidung. Er stand auf, zog sich rasch an, schlich wie ein Dieb die dunkle, knarzende Treppe der Pension hinunter, schob den Riegel an der Vordertür zurück und trat in die eiskalte Nacht hinaus.
    Der Himmel war klar. Der Halbmond sah aus wie im Märchen. Das silbrig schimmernde Meer kroch über den Strand. Bruno war klar, dass er sich verhielt wie ein hoffnungsloser Romantiker, der mitten in der Nacht von Liebe getrieben durch die Straßen wanderte.
    Da er sie nicht erschrecken wollte, beschloss er, nicht an die Tür zu klopfen. Außerdem befürchtete er, nicht sie zu wecken, sondern ihren Vater. Also pirschte er sich ums Haus herum zu ihrem Schlafzimmerfenster, streckte die Hand aus und tippte mit einer Münze dagegen, die er zufällig in der Tasche hatte. Keine Reaktion. Tipp, tipp, tipp. Plötzlich erschien ihr blasses, verdattertes Gesicht hinter der Scheibe. Sie kniff die Augen zusammen. Offenbar konnte sie ihn in der Dunkelheit nicht richtig erkennen.
    »Ich bin es«, flüsterte er. »Lass mich rein. Es ist eisig hier draußen.«
    Er kehrte zur Vorderseite des Hauses zurück, um auf sie zu warten. Als sie die Tür öffnete, stellte er fest, dass sie sein Bruce-Springsteen-T-Shirt trug. Er wollte sie schon deswegen aufziehen, als sie sich ihm in die Arme warf. Sie fiel ihm um den Hals und lehnte sich mit ihrem ganzen Gewicht an ihn. Er musste einen Schritt rückwärts machen, um nicht zu stolpern. Es rührte ihn, dass sie sich so freute, ihn zu sehen. Für gewöhnlich war sie zurückhaltender. Er legte die Arme um sie und drückte sie an sich.
    Sie hob den Kopf, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern.
    »Ich kann mich nicht erinnern, wann ein Junge zum letzten Mal Steinchen gegen mein Fenster geworfen hat.«
    »Ich habe dich vermisst«, erwiderte er nur. »Ich konnte nicht schlafen.«
    Sie nahm seine Hand, drehte sich um und zog ihn in die Wohnung.
     
    Im Halbschlaf vertraute er ihr seine größte Befürchtung an.
    »Addie«, sagte er. »Du musst mich beruhigen. Ich habe Angst, dass McCain gewinnen könnte.«
    »Der gewinnt nicht«, erwiderte Addie mit vor Schläfrigkeit schwerer Zunge. »Obama gewinnt. Das spüre ich einfach.«
    Den nächsten Satz, der in ihrem Kopf entstand, sprach sie nicht aus.
    Obama gewinnt, dachte sie. Und du fliegst wieder nach Hause.
    Mit diesem Gedanken im Kopf schlief sie in seinen Armen ein.

[home]
    Kapitel 23
    D er gewinnt niemals«, verkündete Della mit dem Brustton der Überzeugung. »Obama gewinnt.«
    Sie saßen an Dellas Küchentisch und waren gerade mit dem Essen fertig. Da am Morgen die Uhren zurückgestellt worden waren, dämmerte es bereits. Es war erst vier.
    »Ich wünschte, ich wäre da so sicher wie du«, entgegnete Bruno. »Vielleicht wage ich es einfach nicht zu hoffen.«
    »Doch, glaube mir«, antwortete Della, während sie um den Tisch herumging, um das Geschirr einzusammeln. Sie trug eine Baumwollschürze über einem engen schwarzen Kleid. Hohe Absätze und Hochfrisur wie eine Hausfrau in den Fünfzigern. Sie hatte darauf bestanden, Lammkeule mit Bratkartoffeln und allen üblichen Beilagen zu kochen. »Wir dürfen uns nicht lumpen lassen«, hatte sie zu Simon gemeint. »Schließlich ist er Amerikaner.«
    Den ganzen Tag war sie schon aufgeregt, weil sie ihn endlich kennenlernen würde, und ihre Gedanken überschlugen sich. Sie wollte wissen, ob er Philip Roth, Annie Proulx und Anne Tyler las und was er von Joyce Carol Oates hielt. Und sie brannte darauf, über die Wahl zu sprechen.
    »Obama hat die Geschichte auf seiner Seite«, sagte sie nun. »Nur Hillary tut mir leid. Sie wird es nie schaffen.«
    »Was macht dich so sicher?«, erkundigte sich Bruno. »Vielleicht hat sie ja eine Chance. Wenn McCain gewinnt, kann sie es 2012 noch einmal versuchen.«
    »Nein«, gab Della in dem ungeduldigen Tonfall einer Lehrerin zurück, die versucht, einem begriffsstutzigen Kind etwas zu erklären. »McCain gewinnt nicht. Obama macht das Rennen. Und Chelsea wird die erste Präsidentin. Darauf gehe ich jede Wette ein. Und dann wird die arme Hillary Ehefrau eines Präsidenten und Mutter einer Präsidentin gewesen sein, ohne je selbst eine zu werden.«
    Grinsend wandte sich Bruno an Addie. »Woher weiß sie das alles?«
    »Das tut sie nicht.«
    »Häufig im Irrtum, niemals voller Zweifel«, merkte Simon in gedehntem Tonfall an.
    »Hör nicht auf sie«, meinte Della und nahm eine Zigarette aus dem Päckchen.

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