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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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wenn er überhaupt je endet. Anscheinend weiß man nicht viel darüber, alles bleibt abzuwarten – paradiesisches Leid oder höllisches Glück, und was es dazwischen noch gibt, muß sich zeigen.
    DER Flughafen von Florenz, ein schöner Treffpunkt. Bühl war als Erster da und hatte schon den Wagen gemietet, einen Fiat Panda, ideal für die Gassen Assisis, er empfing gerade die Schlüssel, als ihm jemand an die Schulter tippte, Na? Mehr sagte Vila nicht, mehr konnte sie gar nicht sagen, und er zog ihren Kopf an seinen, so gingen sie zum Parkplatz; erst in dem Fiat sein Wie geht’s?, leise, und als Antwort eine Hand an seiner Wange. Sie nahmen die Autobahn Richtung Rom, eine Tour im Regen, man sah fast nichts, die Beifahrerin hatte den Kopf an der Fahrerschulter, ein Wagen ohne Konsole, zwischen den Vordersitzen die Handbremse, sonst nichts; bis zur Ausfahrt Perugia nur das Geräusch der Scheibenwischer, dann sagte Vila Komm, erzähl mir etwas: die alte Bitte, wenn der andere noch ein Rätsel ist, und Bühl erzählte von seiner Nacht im Freien, fast verpasste er die Straße nach Assisi.
    Erst morgens kam die Kälte, sagte er, als der Regen aufgehört hatte, es langsam dunkel wurde; über den Feldern Nebelfahnen, und die Bergflanke mit der alten Stadt dann gänzlich in Wolken. Ich hatte Hose und Pullover an, alles, was in der Tasche war, dazu eine Decke, und trotzdem die feuchte Kälte, keine Minute Schlaf, unglaublich, wozu Franziskus fähig war. Weiß dein Mann, wo du bist? Die erste Frage dieser Art, und Vila schüttelte den Kopf, die Arme in einem Blazer verschränkt, das übliche Stück, wenn sie Kandidaten traf, dazu Stiefel von Nine West und Jeans; Renz hatte sie zum Flughafen gebracht, sie war bei Air Berlin ausgestiegen – unglaublich auch, wozu eine Frau fähig war. Fahr vorsichtig, hatte sie noch gesagt, dann war er nach München aufgebrochen in seinem übergroßen Gefährt, und sie war gleich in Assisi. Gut, dass die Stadt in Wolken lag, nur manchmal, schieferfarben, ein Turm, ein Haus – das hatte sie am meisten befürchtet: alles wie damals vor sich zu haben, glühend und grell. Wo fahren wir hin? Bühl sah sie an, ein kurzer Blick, und bog dabei schon in die einzige Straße, die in Serpentinen aufwärtsführte, nach der uralten Logik, wie man eine Stadt am Berg am besten erreicht – also war auch Franz hier geritten, lächerlich in seiner Rüstung, und später zu Fuß die steilen Kehren gegangen, triumphierend in einer Flickenkutte. Wir fahren in die Unterstadt, sagte Vila, bis zur Basilika, unser Hotel liegt gegenüber. Ich hätte nicht gedacht, dich so bald wiederzusehen, du? Noch eine tastende Frage, jetzt von ihr, aber Bühl musste auf Schilder achten, er fuhr schon über den Platz vor der Kirche Santa Chiara, hier hatte sie damals auf der Mauer über den Olivengärten gesessen, Kasper auf dem Schoß und die Sonne im Rücken, während Renz in der Krypta war, Minuten, die ihr gehörten, erfüllt von Licht und Wärme und einem zugewandten Lebewesen. Danach war es umgekehrt, er nahm den Hund, und sie hatte Zeit, sich das Grab anzusehen und hinter Glas das blonde Haar von Klara und ihr Gewand aus grober Wolle, Tortur für die Haut. Zuletzt noch ein Gang auf Glas, darunter der felsige Kryptaboden, wie der Grund eines Sees, und die Angst, in dem Glas einzubrechen, auf diesen Grund zu fallen und nie mehr ans Licht zu kommen.
    Ich habe so etwas ewig nicht mehr gemacht, sagte Vila, eine Schläfe am rüttelnden Fenster – unter dem Wagen das alte Pflaster der Via San Paolo –, ein Satz wie aus der Luft gegriffen, ohne Zusammenhang, der Zusammenhang, das war ihre Erinnerung an die Tage nach dem Erdbeben und Kaspers Tod, als sie und Renz wie eine Masse waren, lebensgefährlich einig; unvorstellbar damals, je mit einem anderen diesen Ort zu erleben, ja überhaupt einen anderen zu wollen, unter allen Umständen, auch denen von Assisi. Der Letzte, den sie gewollt hatte, ohne auf die Umstände zu achten, war Fotograf, er machte die offiziellen Werbeaufnahmen für das neue Format Mitternachtstipps mit ihr als Moderatorin: David, und das war kein Schönheitsname, David kam aus Israel. Sie war Anfang vierzig, er Ende dreißig, und alles passte. Sie liebten sich in einem Studio mit Blick auf den Flughafen Tegel, immer neue Anläufe im Takt der Starts, sein Schwanz fühlte sich roh an und dadurch auch gut, aber mehr roh als gut, da musst du jetzt durch: ihr innerer Appell, immer noch Gegenwart. Beim zweiten Mal war

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