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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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Zabaione, die Vila gelang wie selten – zehn gute Minuten allein in der Küche, während ihr Leib- und Magensänger, die Stimme Italiens, Adriano La Voce, das Leib- und Magenlied sang, Vivrò per lei. Gleich dreimal ließ sie das laufen, immer wieder der Anfang, Una notte con te, immer wieder das Ende, e la vita sei per me!, das letzte Wort wie in den Himmel gesungen, dann erschien Renz in der Küche, da hatte sie das kleine Gerät schon ausgeschaltet. Wir vermissen dich, sagte er, und sie tauchte einen Finger in die Zabaione, Probier mal. Nächstes Wochenende, Freitag/Samstag, bin ich in Leipzig, es geht um zwei Kandidaten für die Tipps, beide können unter der Woche nicht – gewagte Worte, als Renz ihr den Finger ableckte, Worte, die sie selbst erstaunten: warum gerade Leipzig, vielleicht weil es wahrer klang als Hamburg oder Berlin. Der eine ist Maler, sagte sie, und darauf Renz, ihren Finger, was ihm gar nicht zustand, noch umschlossen: Wie passend, sie in Leipzig, er in München, München wegen der Seearztgeschichte, ein Essen mit Rainer Groß. Großarsch nannte er ihn sonst nur, Herr über den bayerischen Vorabend, und dann wollte oder sollte Renz sich noch um seine Producerin kümmern, die ihre Chemo machte. Kümmern nannte er das jetzt, und sie fragte gar nicht, wo er sich um sie kümmern wollte, in ihrer Wohnung oder einer Klinik; sie fragte nur, ob er die Zabaione hereintrage, und Renz nahm die Schüssel mit dem Eischaum – der immer noch in sich zusammenfallen konnte, wie ihre eigene Leichtigkeit, wenn nur irgendetwas dazwischenkäme vor dem Freitag, ein Fluglotsenstreik in Italien, ein Drama mit Katrin, ein Herpes am Mund. Sie stellte das Gerät wieder an und hörte noch einmal das erste Lied, den Anfang bis Vivrò solamente per te, es gab nichts Besseres; blieb nur noch, an den Tisch zurückzuschweben. Und auch das liebte sie: ein festliches Essen mit Freunden, die grünen Sets auf dem polierten Kirschholz, die schönen Gläser ihrer Mutter, für Wasser und Wein, die Teller mit Goldrand, und auf dem Beistelltisch, zwischen alten Grappas und gestapelten Bildbänden, ein entkorkter Amarone – Novemberessen in der Schadowstraße, Freunde von gegenüber und Freunde aus dem Haus, Paare von außerhalb wie die Englers aus Mainz, die Gespräche leicht, nicht flach, ein Gleiten von einem zum nächsten. Dein Mann denkt an einen Zweiteiler über Franz von Assisi, sagte Marion. Und du hältst das für aussichtsreich?
    Oh, ja, Renz hat jetzt eine neue Producerin, nicht wahr? Vila lachte, den Dessertlöffel am Mund, ihr prahlerisches Lachen für die Englers, aber mehr für ihn, den Jugendredakteur, den sie gar nicht gealtert fand, nur strapaziert, der vielleicht aufblühen würde bei ihr. Ganz ganz wunderbar, die Zabaione, sagte Thomas, ein Kompliment von der Renzsorte, nur ernst gemeint. Vila hob ihr Glas, das dritte an dem Abend; eines ginge noch, das fünfte wäre zu viel. Auf Assisi, auf den Zweiteiler. Renz schafft das, vielleicht wird sogar Kino daraus. Ihr könntet Projektförderung beantragen.
    Werden wir auch. Frau Mattrainer prüft das schon.
    Ich denke, die ist so krank? Vila holte die Grappaflaschen, sie hatte genug gesagt, nur mit zwei Buchstaben. Was heißt so krank? Heide mischte sich ein, und Renz war gezwungen, ein paar Dinge auf den Tisch zu legen, die nicht zum Tisch passten. Aber das Projekt hängt doch nicht nur an einer Person, sagte Jörg, sein Versuch, vom Krebs zum Management zu kommen, auch in seiner Firma hänge nicht alles an ihm oder an Heide: Sonst könnten wir nicht einfach eine Woche abhauen – ihr kommt uns doch besuchen? Jörg wandte sich an Renz, seinen Verbündeten, wenn es um Mallorca ging, das heißt ums Fischen, er hatte ein Boot dort, eins im alten Stil, wie ihre kleine Finca im Norden der Insel. Wir kommen, sagte Vila, Renz wird ja verrückt ohne Angeln, kein Weihnachten in Jamaika ohne Fischtrip für achthundert Dollar, und am Ende nur leere Bierdosen und Köder auf den Planken.
    Ich erinnere mich an drei Barrakudas, du nicht? Renz griff über den Tisch, er streichelte Vilas Arm, und sie sah zu Marion, die neben ihm saß: auch ein Paar. Es gab so viele Kombinationen, allein hier am Tisch, unbegreiflich, warum man so lange bei einer blieb. Jörg machte einen Sprung, er wechselte vom Fischen zur Politik, auch da immer weniger dicke Brocken, nur kleine Selbstdarsteller ohne Substanz: das nächste Stichwort. Und so saßen sie bis eins um den Tisch und sprachen über Substanz

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