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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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Beute mit einem Enterhaken aus dem Wasser zerrt, konnte gar nicht anders heißen. Renz blieb stehen, die Weinflasche in der Hand, er sah sie an, im Gesicht auch schon die Folgen der Sonne, seine Falten auf der Stirn noch tiefer als sonst, ein schiefes Gitter. Willst du dich trennen, Vila, willst du das?
    Warum, wie kommst du darauf?
    Ich weiß es nicht, sagte er zum dritten Mal an dem Abend. Aber wenn du woanders glücklicher wärst.
    Ich bin nicht unglücklich.
    Nicht? Renz sah auf den Wellenschaum zwischen ihren Füßen. Aber du bist so wach wie seit Jahren nicht.
    Nur nicht im Moment, sagte sie. Lass uns jetzt schlafen, oder was willst du? Sie löste sich von Renz, und er machte kehrt im flachen Wasser, wieder Richtung Hotel, die freie Hand über dem Kopf, ein Winken im Weggehen, sieh, was ich will: allein sein, aber dich in meinem Rücken wissen. Und dir noch fröhliche Weihnachten, rief er, als sie schon etwas zurückgefallen war, ein Wunsch in letzter Sekunde, der Heiligabendausklang unter dem Kreuz des Südens, oder was sie da beide über sich hatten, die Sterne zum Zenit hin immer dichter, ein Chaos, gegen das alles Eigene gar nichts war.
    In dieser Nacht lag sie neben Renz, weil von unten noch letzter Grillqualm bis zum Balkon zog. Aber es war auch gut, an seiner Seite zu liegen, so gut oder so richtig wie in den Nächten, als Katrin noch klein war, kaum auf der Welt, aber schon mit Fieber, und sie beide besorgt waren, um das Leben, das ihr Leben erst reich machte, so, wie sie jetzt nur noch um das eigene Leben und Glück besorgt waren. Renz hatte ihr gemeinsames fieberndes, schreiendes Kind aus einem verwickelten Laken befreit, so vorsichtig, als würde er einen Verband abnehmen, ihm das verklebte Haar aus der Stirn und von den Schläfen gestrichen, seinen Puls mit feuchten Tüchern gekühlt und Tropfen einer Medizin auf der winzigen Zunge verteilt, und sie liebte ihn nach solchen Aktionen auf eine schlichte, animalische Art, wenn sie dann beide nicht mehr einschlafen konnten, Seite an Seite lagen und sich streichelten, bis wenigstens das eigene Fiebern zu einem Ende kam. Und irgendwann war es vorbei mit den unruhigen, zerrissenen Nächten, das Kind half sich selbst, und sie hörte auf, eine Fünfjährige mit dem absoluten Blick für jede Schwäche bei ihr und Renz, für jedes Glas Wein und jedes schlampige Kleidungsstück, noch zu erziehen – wie hält man die Gabel, wie putzt man die Zähne, wie heißt die Mehrzahl von Messer, auch Messer, nicht Messern, was sagt man, wenn man etwas will, was sagt man, wenn man es bekommen hat, ihr noch länger diese Muttermitgift ins Ohr zu träufeln. Aus dem fiebernden Kind war ein Mädchen geworden, das schon, ganz anders fiebernd, Bücher über ferne Länder las, und wer mit ihr nicht Schritt halten konnte, hatte das Nachsehen.
    Renz drehte sich im Schlaf, ein Hinwenden zu ihr, und sie legte den Kopf zwischen sein Kinn und die Brust, wie in ein schützendes Kabäuschen: das war ihr Wort dafür, ein Vaterwort, von Ausflügen in einem VW Käfer, bevor er es zu seinem schönen Mercedes brachte, sie immer im Käfergepäckfach hinter der Rücksitzlehne, mit angezogenen Knien im Kabäuschen, so hatte er es genannt, und viel mehr war nicht geblieben von ihm als solche Freudenwörter, eins hatte sie bei Renz untergebracht. Er war ja auch Wörtererfinder und hatte etwas von dem Angeberischen ihres Vaters, aber war kein Angeber, auch kein Hochstapler. Renz war nur laut und in manchen Momenten dafür umso leiser, wenn er etwa nach einem Abend mit Freunden, dem üblichen Küchenkrach, über das ganze verklebte Geschirr hinweg ihr plötzlich eine Hand hinstreckt und sie merken lässt, dass es nicht irgendein Leben ist, über das sie hergefallen sind, sondern ihr eigenes einziges.
    DER erste Weihnachtsfeiertag (nach heimischer Zählung), die Vormittagsstunden am Strand, das Schwimmen, das Lesen, ein Dösen im Schatten, zwischen ihren Liegen die Badetaschen, in jeder Sonnenöl und Bücher, etwas Kleidung, eine Wasserflasche, Kamm oder Haarbürste und das eigene Notebook – auch abseits vom Hotel ein gutes Netz; Renz mit dem Gerät auf dem Bauch, während Vila Schlaf nachholte.
    Marlies hatte ihm eine Mail als Producerin geschickt, darin auch private Sätze, und doch ein Schreiben, das er an Bühl weiterleiten konnte, um ihn noch mehr in das Projekt zu ziehen. Sie hatte über Franziskus recherchiert, ihre Gründlichkeit war imponierend, aber aus den Zeilen ging auch hervor, dass

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