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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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ausgetrunken und zerdrückte sie nach und nach. Vila stand an der Reling und hob bei jedem Knacken den Kopf – die Küstenlinie unter einem Wolkenband wurde langsam schmaler, während die Dünung zunahm, tiefe, gedehnte Wellentäler, ihre Kämme so hoch, dass man die Küste nicht mehr sah, und auf dem Boot gespannte Ruhe, seit es bei gedrosselter Fahrt fünf Köder hinter sich herzog. Fischen hieß warten, und Renz war kein Meister im Warten; beide Hände um die Rute vor ihm in einer Halterung, saß er mit bloßem Oberkörper in dem zahnarztartigen Stuhl, eingecremt gegen die pralle Sonne und um den Bauch angeschnallt, für jede Fischgröße präpariert. Vila nahm ihn mit ihrem Phone auf, Renz gefesselt wie Prometheus, ein Foto für Katrin, und sie nahm den Skipper auf, wie er in seinen abgeschnittenen Jeans auf einer Art Barhocker im Steuerstand saß, in der pendelnden Hand eine Zigarette, das lange Haar jetzt geknotet. You call me Vincent, seine einzigen Worte bisher. Er gefiel ihr. Seit er mit einem Gehilfen auf den Planken gekniet hatte, um die Köder auf Haken von Bleistiftlänge zu ziehen, gefiel er ihr, wie ihr manchmal ein Auto gefiel, das sie nie fahren würde. Der Gehilfe war schwarz und fett, mit dem Namen einer Biermarke, Carlsberg. Vincent und Carlsberg, die Besatzung der Orgasm Hunter mit ihren Schnüren, die sie hinter sich herzog, die Enden aus Stahldraht, daran die Haken, und Renz der einzige Angler – entweder wollte der Japaner nicht, oder seine junge Frau wollte keinen Mann, der sich lächerlich macht, indem er mit einem Fisch kämpft. Vila entschied sich für Variante zwei: die Frau als Beschützerin ihres Mannes.
    When was your wedding, fragte sie, als die Japanerin von ihrer Kamera aufsah, und dieses Wort verstand sie gut, oder ihr Mann verstand es, Yesterday, sagte er, und Renz stimmte den alten Song an, da kannte er nichts. Aber das Ganze kein Beginn einer Annäherung zwischen dem alten und dem jungen Paar, nur ein langer Moment der Verlegenheit, und Vila griff in die Getränkekiste und holte zwei Büchsen Bier heraus, die kältere für Renz, irgendwie auch besorgt um ihn. Bäche von Schweiß liefen über sein Gesicht, also musste er trinken, und sie trank gegen den langen Moment; die Japanerin stand jetzt bei ihrem Mann, sie stand gewissermaßen zu ihm und teilte sein Interesse am Angeln, ohne sich selbst in den Kampf zu begeben, die Position dessen, der hofft, hofft, dass die Schnur mit hellem Sirren davonschießt, die Rute sich biegt, sobald die Rolle gebremst wird: Vila kannte das alles, die Stille, das Warten, das Vergehen der teuer bezahlten Stunden.
    Das Heck lag jetzt ganz in der Sonne, die Fahrt ging nach Westen, in schrägem Winkel weg von der Küste, die immer wieder hinter der Dünung verschwand, bis sie gar nicht mehr auftauchte. Rings um das Boot nichts als Wasser und an den Schnüren noch kein einziges Rucken seit dem Morgen. Man sollte die Köder wechseln, wenn keiner beißt! Und mehr in die Tiefe gehen, Gewicht auf die Schnur tun! Deutliche Worte, Renz wandte sich damit an den Skipper, und der nahm das Köderproblem jetzt selbst in die Hand. Er wählte bunte Plastikfische mit Haken am Schwanz, sie schillerten beim Hinterherziehen; andere, mit Blei beschwert, sanken ein Stück ab. Und nachdem alles getan war, die Schnüre wieder ins Wasser liefen, beschloss er sein Tun mit einer Handbewegung wie ein Dirigent, der die Bläser aufruft: Kommt hoch, ihr Fische, und beißt! Eigentlich sind sie um die Mittagszeit satt, sagte Renz auf Englisch zu dem Japanerpärchen. Aber wir locken sie, bis sie dem Geschiller hinterherschießen, und der Schnellste schnappt zu und hat den Haken im Maul. Er wird ihn nicht mehr los und schwimmt rasend davon. Erst wenn er neue Kraft sammelt, kannst du ihn drillen und Meter für Meter heranholen, bis er plötzlich springt, eine blauweiße Fackel, das vergisst man ein Leben lang nicht! Renz sprach in der Gegenwart, aber in seinem Ton schwang schon Erinnerung, als glaubte er gar nicht mehr an einen Fang – Vila kannte auch das: Genauso sprach er über das ernsthafte Drehbuch, das er schreiben wollte, neuerdings mit Hilfe von Bühl. Sie trank die Bierbüchse aus und nahm ihre Badetasche und ging ins Innere des Boots, wo die Japanerin schon zweimal war und immer noch elfenhafter wieder an Deck kam.
    Neben dem Steuerstand führte eine steile Treppe nach unten, Schaben saßen auf jeder Stufe und wichen erst, wenn sie den Fuß aufsetzte. Unten ging es weiter

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