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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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Frau sie noch machte –, zu Bühl als Prediger gegen Dummheit und Franz-von-Assisi-Fan; das Ganze eine Art Bühlogramm, bis Vila ihn unterbrach, Verrate unserem Gast lieber dein Rezept! Sie zog noch an seiner Schürze und ging dann ins Bad, ihr Fluchtort seit Wochen, und er legte auch schon los. Etruskische Nudeln für drei Personen, das sind fünfzig Gramm schwarze Oliven, vierzig Gramm getrocknete Tomaten in Öl, vierzig Gramm Sardellenfilets und siebzig Gramm Pecorino, dazu fünf Knoblauchzehen, etwas Cayennepfeffer, Petersilie und circa achtzig Milliliter Olivenöl extra vergine, sozusagen unser eigenes! Renz hielt eine Flasche ohne Etikett in die Höhe, mit der anderen Hand setzte er das Nudelwasser auf, und der Gast fragte, ob es etwas Neues von Frau Mattrainer gebe, er habe es bisher nicht geschafft, sie anzurufen. Von Marlies? Renz gab etwas Öl in das Wasser. Die ist an ihrem Kindheitssee, sie will sich dort erholen, es geht ihr schlecht, wollen Sie ihre Mobilnummer? Er riss etwas von der FAZ ab, die auf dem Tisch lag, und schrieb die Nummer auf den Rand und reichte den Fetzen weiter, als Vila in die Küche zurückkam – verwandelt, ohne Lippenstift, dafür das Haar hochgesteckt, Ohren und Nacken frei, Vila mit etwas von dem, was ihn anfangs verrückt gemacht hatte: von einem Malermodell, das die Talentlosen scheitern lässt und die Begabten zerbrechen. Mein Mann, sagte sie, will ja einen Fernsehzweiteiler über Missbrauch schreiben, können Sie ihm denn weiterhelfen? Und es geht dabei nicht um Gerede über die Dinge, es geht um die unschönen Wahrheiten, wer hatte was mit wem getan. War auch Ihr alter Freund Bühl davon betroffen? Vila wollte es wissen und wollte es nicht wissen, wie bei dem Verdacht, dass der andere einen betrügen könnte, und während sie die Etruskischen Nudeln aßen – für Renz ein Erfolg, obwohl das Sugorezept gar nicht von ihm kam –, war es ein Tanz mit Worten, nicht nur ihrerseits. Bühl war in das Ganze verstrickt, so viel wusste sie, nur in welchem Umfang, davon hätte sie gern eine Vorstellung gehabt, wenigstens eine ungefähre, und was war aus diesem Lehrer und Rudertrainer geworden – ertrunken im Bodensee, mehr schien der Gast auch nicht zu wissen, und überhaupt wusste er nicht viel Genaues. Kilian-Siedenburg wusste nur, das Ungenaue zu verkaufen, er stand angeblich davor, seine Hausbank zur Einrichtung eines Fonds für die Entschädigung der Opfer zu gewinnen, eine Bank, die mit all dem in keiner Weise verknüpft war, aber den Schirm, den man in der Finanzkrise über sie gespannt hatte, nun in der Form zurückgeben könnte.
    Eine großartige Idee, sagte Renz, das war schon nach dem Espresso, als er dem Gast noch die Wohnung zeigte, ihr gehobenes Zuhause inmitten einer Stadt, die als Transitgebilde für Leute galt, die nur ans Weiterkommen dachten, ein Gang, den Vila nicht mitmachte, weil sie seine Wohnungs- und mehr noch die Hausführungen hasste, für ihn noch einmal Gelegenheit, auf Marlies zu kommen – eine schwierige Frau, nicht wahr, auch für Sie? Renz strich an den dunklen, grabsteinhaften Flurregalen mit all seinen ausgedienten Büchern über Filme und Schauspieler, Regisseure und Kameramänner entlang, und die Antwort ein O ja, als er schon die Tischlampen in den vorderen Räumen anmachte, Räume, in die die Sonne nur am späten Nachmittag ein paar schräge Strahlen schickt: Vilas nüchterne Sicht. Also hielt er mit den vielen Lampen dagegen, jede mit warmem Schein, von safrangelb bis blassrot; er hatte auch die Möbel gewählt, passend zur alten Stuckdecke, eine Mischung aus nachgemachtem Biedermeier und Jugendstil und auch halbherzig Neuem wie großen Schwarzweißfotografien anstatt Bildern. Und in der Gegend brauchen Sie nicht einmal Sicherheitsschlösser, sagte er. Der einzige Ärger ist die Parkplatzsuche. Wie ging das mit Marlies auseinander, ungut? Renz nahm eine Flasche Grappa von einem der falschen Jugendstiltische, er füllte drei Gläser und reichte eins weiter, Kilian-Siedenburg roch an dem Grappa. Was geht schon gut auseinander? Es hat nicht einmal richtig gut angefangen. Ich kannte Fotos von ihr, ich wusste, dass sie in München studiert, ich habe Marlies gesucht und gefunden. Sie saß am Odeonsplatz in einem Straßencafé und rauchte, vor sich ein Buch, Virginia Woolfs Orlando, das hatte mir mein Vater mit der üblichen Einlage, einem Geldschein, ins Internatsgepäck getan – Lesen für Geld, verstehen Sie, aber gelesen hatte es Bühl und mir

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