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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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Raucherin im engeren Kreis. Gibt es hier irgendwo Feuer?
    Vila hatte die Zigarette schon im Mund, für Renz ein altes Bild des Begehrens, also suchte er nach Feuer und fand in einer der Küchenladen eine Schachtel Welthölzer, noch aus der Zeit, als Katrin klein war und er bei Vila das letzte Wort behalten hatte, ohne zu ahnen, wie sehr man mit einem Menschen verheiratet ist, wenn man das letzte Wort behalten will. Er gab ihr Feuer, und sie machte ein paar Züge und war wieder die Frau, die er in seiner Vulvabilderbude zu zeichnen versucht hatte, das Modell, an dem die Talentlosen scheitern und die Begabten zerbrechen, nackt auf seiner Bettmatratze, rauchend, und am Ende zerknüllte er das Blatt und sagte, er würde sie lieben, eine Form der Moral, die ihn an der Kunst hindere, und Vila: Liebe kennt keine Moral! Für ihn damals ein scharfer Spruch, nur wie sie jetzt rauchte, als hätte sie es nie aufgegeben, den Rauch aus ihrer Nase strömen ließ und ihn dabei ansah, dachte sie wohl immer noch oder erst recht so. Vila hatte sich verändert, indem sie wieder wie früher war, ein Vorwärtsschritt zurück, zurück auch in die Zeit, als sie mit dem einen oder anderen ins Bett ging; manches hatte sie ihm erzählt, manches nur angedeutet, und irgendwie traute er ihr sogar das wieder zu, nicht wirklich, aber als wirklichen Wunsch. Renz nahm sich auch eine von den Rothmans, die letzte in dem vergessenen Päckchen, aber steckte sie nicht an. Ich habe ihm vorgeschlagen, uns im Spätsommer zu besuchen. Er hat dann die Fallgeschichten, die ich brauche. Und auch das aktuelle Material, was ist aus den Leuten geworden, wer steht für die Dinge von damals gerade, wer zahlt und wie viel und wofür. Ein ganz anderer Typ als Bühl. Was hat die zwei verbunden, waren sie schwul? Renz schob die Zigarette in das Päckchen zurück. Willst du wieder anfangen zu rauchen?
    Warum laden wir ihn nicht gleich zu meinem Geburtstag ein, samt Wilfingers, und setzen Fritz Wilfinger zu ihm. Und er macht Wilfinger klar, wie wichtig dein Stoff ist, wichtiger als alle anderen auf seinem Tisch – Vila zog an der Zigarette und blies den Rauch mit leisem Pfeifton aus wie früher –, also lauf dem ganz anderen Typen nach, lade ihn ein.
    Es ist dein Geburtstag, oder nicht? Renz holte einen angebrochenen Rotwein vom Vorabend, er wollte Vila einschenken, sie verneinte mit dem Kopf, dazu der Rauch mit dem Pfeifton, wie ein Trink nur, trink, ich lebe dich dafür unter den Tisch. Meiner, seit wann? Willst du mir etwas einreden? Ich kenne dich, Renz, ich kenne dich viel zu gut. Es ist seit Jahren unser Fest, ich bin höchstens der Vorwand, weil das mit Goethe so schön klingt. Goethes Geburtstag in Italien!
    Renz nahm nun doch die Zigarette, er steckte sie an, eine Hand dicht am Mund, die Marlieshaltung. War etwas falsch an dem Abend, war ich gegen dich? In keinem Moment. Und jetzt rauche ich sogar eine Freundschaftszigarette mit dir.
    Wir sind keine Freunde, sagte Vila. Wir sind ein altes Paar.
    EIN altes Paar, das hatte sie erst am Nachmittag in ihrem Büro gelesen, in einer langen Mail von Bühl; aus den Zeilen über Franz und Klara waren zwei Seiten geworden, die hatte sie ausgedruckt, mitgenommen, in eine Schublade mit Schlüssel getan, verwahrt wie als Mädchen die ersten heftigen Briefe an sie, ich will deine Brüste auf meinem Gesicht und dergleichen, auch wenn bei Bühl erst am Schluss etwas Persönliches kam, Ich denke an dich, selbst im Schlaf! Das wäre Renz um die Ohren geflogen, darum die Lade mit Schlüssel, den trug sie bei sich – ein gutes Gefühl, wenn er mit seiner Kranken telefonierte, mit ihr über Missbrauchsdialoge sprach, sich trösten ließ bei offener Tür, weil aller Anfang und seiner besonders schwer sei, statt Marlies an ihrem Kindheitssee, das drohende Ende vor Augen, zu trösten.
    Den Rest der Woche ging das so, bis Renz auch eine lange Mail bekam, mit der tauchte er abends auf, als sie schon das Kleid für Mailand bügelte. Kilian-Siedenburg bedankt sich für den Abend, sagte er. Und alles Übrige ein Requiem auf seinen toten und wohl immer noch schwierigen Vater. Der sich zuletzt mit allen überworfen hatte, diversen Geliebten und Verlegern, den wenigen Freunden und dem ganzen Personal eines Heims, in das er sich freiwillig begeben hatte, um dort einen letzten Roman zu schreiben, Titel Das berüchtigte Glück. Und ich sorgte dafür, steht hier, dass er unbehelligt arbeiten konnte in seiner Sterbeklinik im Kreuther Tal. Ich

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