Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
Vom Netzwerk:
schloss den Vorhang, und Renz deckte sich wieder auf, trotz Polstern um die Hüften auch hager, ein breites Gestell. Wollen wir die Nacht hier bezahlen und weiterfahren? Oder etwas schlafen und nachmittags weiterfahren? Oder tun, was wir immer in Hotels getan haben? Unsere erste Sizilienreise, in jeder stickigen Kammer, war es nicht so? Renz streckte den Arm nach ihr, sie setzte sich auf die Bettkante – das Zimmer in Palermo wurde erst morgen frei, irgendwo mussten sie bleiben. Hinter dem Parkplatz ist ein ausgetrockneter Bach, da lief ein kleiner wilder Hund herum, ich hätte ihn fast gefangen. Und mitgebracht.
    Und dann?
    Hätten wir wieder einen Hund.
    Der war bestimmt nicht geimpft. Ein Biss, und du holst dir die schlimmsten Sachen. Tollwut.
    Die hab ich schon, sagte Vila. Die stecke ich weg.
    Die steckst du weg – wie lang willst du noch um die Fünfzig sein, zehn Jahre, zwanzig? Renz zog sie neben sich, sie ließ es geschehen, wie ihre Zuschauerin. Der Hund hatte eine wunde Stelle, über den Rippen, vielleicht finde ich eine Apotheke. Wir bleiben bis morgen. Bei dem trockenen Bach gibt es eine Trattoria, da können wir heute Abend essen.
    Warum? Das ist das Letzte hier, warum sollten wir bleiben? Renz streichelte ihren Hals, die Brüste, ihren Bauch; er knöpfte die Hose auf, die auch Bühl aufgeknöpft hatte, und schob ihr eine Hand zwischen die Beine: Renz, ältester Betreuer ihres Fleisches. Wieso ging die Mail an dich, fragte er wieder und zerrte jetzt an der Hose, sie hob den Hintern an: kein echtes Entgegenkommen, nur ihr Umgang mit dem Zerren, und Ausziehen musste sie sich sowieso, wenn sie schlafen wollte. Es war drückend im Zimmer, Renz hatte die Klimaanlage abgestellt, seit ein paar Jahren machte ihn jede Klimaanlage binnen Stunden krank, und sie hasste es, wenn er krank war, heiser flüsternd herumlag; seine besiegten Energien waren dann auch ihre besiegten Energien, nur andersherum war es nicht so, sein Verlangen war nicht ihr Verlangen. Lass uns schlafen, sagte sie, aber da war sein Mund schon zwischen ihren Beinen – uralter Brauch, sich nahe zu sein, hatte er beim ersten Mal wie zu seiner Entschuldigung vorgebracht, und später füllte es das Wort intim mit Leben. Sie waren intim miteinander, sich wortlos nah: Der, den man liebt, hat auch ein Gesicht, wo sonst alles verhüllt ist. Wozu denn das, sagte sie, und dabei wäre es mit einem Satz beendet, gib dir keine Mühe, ich hatte das erst vor kurzem, besser kann es nicht mehr werden. Aber kein Wort davon; sie griff ihm ins Haar, in sein schmutzig weißes, zu keiner stabilen Frisur mehr taugendes Haar: auch ein Besiegtsein, wenn sie an sein Filmkritikerhaar dachte, in ihrer Hand so schwer wie das von Bühl, nur damals schon grauer, Renz war von Anfang an älter, viel älter. Also warum ihn nicht das Einzige tun lassen, das ihn noch irgendwie jünger machte, ganz auf ein absurdes Ziel gerichtet.
    Er schob sich an ihr hoch, eine Hand jetzt zwischen ihrem und seinem Bauch, ein sich Behelfen, Steuern, Ausrichten: Schiebung, wenn man genau war, aber genau war Renz noch nie. Er wusste nur, was er wollte, in einem Zimmer zum Davonlaufen mit ihr schlafen. Im Grunde missbrauchte er sie oder wenigstens ihre Erschöpfung, aber das war eher ein Gedanke – sie fühlte sich nicht so, dafür brauchte er sie zu sehr. Was sich da auf ihr bewegte, langsam, stumm, durchblutet, war ein großes altes Kind, das sich ausweinen musste, ohne dass ihm Tränen liefen. Ihr alter Renz, immer noch, aber anders als früher; früher hatte er sie und das Leben umschlungen, jetzt umschlang er nur noch sie und klammerte sich an ihr Leben. Ein Akt in der Mittagsstunde, der eigene Anteil unklar – Haut will immer nur andere Haut, sie kennt keine Selbstachtung, keinen Stolz, und als es vorbei war, rollte sie sich auf die Seite, ein Stück Laken zwischen den Schenkeln, im Nacken Renz’ Hand. Die Mail, wieso ging die an dich, fragte er zum dritten Mal. Und sie: Weil der Absender darin von Liebe erzählt, da wendet man sich doch eher an die Frau des Hauses. Wollen wir dann schlafen? Sie drückte die Hand in ihrem Nacken, ein Das war’s, nun lass mich, lass gut sein, und auch Renz drehte sich jetzt auf die Seite, weit weg von ihr.
    Ein Schlaf bis weit in den Nachmittag, danach die Müdigkeit noch größer, langsames Aufstehen und ein Gang vor das Hotel, sie zeigte Renz den trockenen Bach, von dem Hund mit der Wunde keine Spur. Später zwei Espresso in der Bar, andere tranken schon

Weitere Kostenlose Bücher