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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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viel ist, die Hormone, die Reize, das Leben. Aber so ist es mit zwanzig. Bei ihr war’s so, bei Renz war’s so, und als Nächstes verknallt man sich und heult, wenn es schiefgeht. Und dann kommt plötzlich die Liebe. Und wen es einmal erwischt hat, den erwischt es auch wieder. Sie ist dreiundfünfzig und hat den Kopf noch nicht über Wasser. Katrin hat es irgendwie gemerkt auf dem Fest und sie ein-, zweimal angesehen, als sollte sie sich rechtfertigen. Tut mir leid, Süße, aber ich bin krank. Nur lässt sich die Sehnsucht nicht rechtfertigen, weil sich Liebe nicht rechtfertigen lässt. Renz schwenkte die Hand mit dem Telefon: Das war’s, sie schreiben uns die eine Nacht sogar gut für ein Jahr! Er kam an den Tisch zurück und winkte dem Mann, der bedient hatte. Was ist mit dir? Seit wir hier sitzen schon, bist du müde?
    Nein, sagte Vila, im Gegenteil. Oder war ich unaufmerksam, habe ich etwas verpasst? Sie stand auf, während Renz noch zahlte, und ging zum Wagen: an dem sie auch irgendwie hing, obwohl sie kein gutes Wort für ihn hatte. Ein Jahr, da konnte viel passieren, alles. Am Morgen hatte Renz auf Elfis Mailbox gesprochen, dass er gleich die Grippeimpfung wollte nach der Rückkehr. Er war angezählt seit seiner letzten Winterkrankheit, sie gab ihm noch fünfzehn, sechzehn Sommer, ein Infarktkandidat – auch eine Intimität. Nach seinem Tod würde für sie das Alter anfangen, und das kann dauern, bei ihrer Mutter zwanzig Jahre, zuletzt auf allen Ozeanen. Renz schloss zu ihr auf, und sie stiegen in den Wagen und fuhren wieder zur Autobahn, die am Meer entlangführt, da hätten sie noch nach Palermo abbiegen können, tun wir’s einfach, gehen wir in diese Villa Igea! Aber sie bogen Richtung Messina ab und fuhren zurück, ohne darüber zu reden. Ihr Betonhotel hieß Miramare, nur müsste man schon aufs Dach steigen, um das Meer zu sehen; sie machten noch nicht einmal die Vorhänge auf im Zimmer. Renz stellte den Fernseher an, er fand einen deutschen Nachrichtenkanal. Mit Griechenland ging es bergab, auch mit Italien, mit Spanien, und der Euro gab immer mehr nach. Eigentlich war nur noch das Haus etwas wert, eine Immobilie mit Seeblick, alles andere schien sich aufzulösen – verglichen mit der Finanzwelt führten sie fast eine solide Ehe. Ich geh noch einmal nach dem Hund schauen, sagte sie.
    Ein vergeblicher Gang, in dem trockenen Bachlauf nur zerwühlte Mülltüten, das kleine Hundewesen hatte nach Resten gesucht, also ein Tier ohne Heim, womöglich auch ohne Namen. Sie ging weiter als beim ersten Mal, immer dem Müll nach, Canelino! Ein Gerufe nach allen Seiten, bis zwei rauchende Jungs mit einem Melonenkarren auftauchten, sie wohl für verrückt hielten, und von ihr nur ein Salve, dann ging sie zurück. Auf dem Parkplatz und seinen Ausläufern zu den drei Häusern wieder der Aufbau für den Abendmarkt, an vielen Ständen schon Waren, und Leute drängten sich; der hotelnahe Teil des Platzes jetzt voller Autos, wie eine Wagenburg um den Jaguar. Und dann entdeckte sie Renz in dem Gedränge zwischen den Buden, Renz im T-Shirt, ein Jackett über der Schulter, das Haar noch nass vom Duschen, so dunkel wie in der Zeit, als Katrin zur Schule kam. Sie wollte ihn rufen, aber es gab schon genug Rufe von den Marktfrauen, und sie versuchte nur, ihm zu folgen, vorbei an Ziegenköpfen und Bergen glänzender Oliven, an Tischen voller Spielzeug und Buden mit Perücken und Hochzeitskleidung, dort war Renz stehen geblieben – immer noch ein Mann für den ersten Blick. Aber die für den zweiten Blick waren die zum Anlehnen, einer wie Thomas Engler mit unaufgeräumtem Bart und einer Stimme, die auch deutlichen Worten noch Milde gab. Wind kam auf, und in den Ständen pendelten die Lampen; es wurde schon dunkel, sie hatte fast eine Stunde in dem Bachlauf herumgesucht. Renz ging weiter, und sie folgte ihm, wie sie ihm in all den Jahren nie gefolgt war, auch als sie wusste, dass er wegging, um sich mit einer Frau zu treffen. Er drang immer tiefer in das Gewühl ein, und je länger sie ihm folgte, desto mehr rührte er sie – ein Mann jenseits der besten Jahre, aber auch noch nicht richtig alt, ein unklares Zwischenalter wie ihr eigenes, und auf einmal drehte er sich um. Warum gehst du mir nach? Wolltest du nicht den Hund suchen?
    Ich habe ihn bis eben gesucht, er ist weg. Und plötzlich sehe ich dich! Sie log ihn einfach an und war dann mit ein paar Schritten bei ihm, er küsste sie auf die Stirn, und sie gingen zusammen

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