Liebe in groben Zügen
Wein; die Frau mit dem Jeansrock bediente noch, Vila fragte nach der Trattoria, ob es dort Fisch gebe. Heute ist Ruhetag, sagte die Barista, morgen dafür Gesang. Und als Fisch nur Sardinen. Oder Polyp. Sie kassierte gleich und zählte bei einem Bier die Tageseinnahmen, während auf dem Parkplatz Stände für einen abendlichen Markt errichtet wurden. Vila rauchte vor der Bar. Wir müssen auch gar nicht nach Palermo, oder müssen wir? Ein Vorstoß nach dem letzten Zug, und Renz sagte, es gehe ihr doch nur um den Hund, diesen Hund. Bitte – such ihn. Willst du ihn suchen? Ich würde lieber etwas essen. Hast du keinen Hunger? Du siehst aus, als hättest du Hunger. Also wohin? Er schaute in jede Richtung, als gäbe es eine Auswahl, Lokale überall, aber es blieb nur das Hotelrestaurant in der Art einer futuristischen Eisdiele; ein Abend bei aufgetauten Putensteaks und lokalem Wein, beides überteuert. Vila kippte den Wein, zwei Gläser, drei. Morgen wird alles besser! Sie streichelte Renz über die Hand, dann ging sie auf die Restauranttoilette, in der Tasche ihr Notebook. Vielleicht war es das schrecklichste Hotel in ganz Sizilien, aber mit dem schnellsten Internet. Von Bühl nichts Neues, und sie schrieb ihm Danke für Franz und Klara. Wie geht es aus mit den beiden? Sich kurzfassen, das konnte sie auch; danach Rückkehr ins Restaurant, an den Tisch, ihre Unschuldsmiene, und später auf dem Zimmer noch eine Flasche Wein und ein kaum erträglicher Film, Fight Club.
Sie schliefen bis in den Vormittag, dann fuhren sie ins Land, ziellos zwei Stunden, schmale Straßen, karge Hänge, einmal Ziegen und zwei Esel. Mittags waren sie in Montalbano, ein Bergkaff mit Kirche und Piazza, Tischen im Freien, einer Parkmöglichkeit. Sie aßen Salat und Pasta; der große schwarze Wagen glänzte in der Sonne, Leute blieben stehen, Männer ohne Arbeit, einer trat seine Zigarette vor dem Kühlergrill aus. Verkauf ihn, sagte Vila. Wenn es sich ergibt, sagte Renz, sein erstes Einlenken in der Sache. Ein fast schwüler Septembertag, hinten im Wagen ihr Gepäck, sie hatten das Zimmer bezahlt, aber angedeutet, dass sie eventuell zurückkämen; für Vila war es der erste Tag einer neuen Zeit, wenn sie und Renz sich nichts mehr vormachten. Sie trug Jeans und ein weißes Hemd, er seine alten Tennissachen. Was heißt, wenn es sich ergibt, nichts ergibt sich. Du musst dich entscheiden, Renz, ihn irgendwo anbieten, bei AutoScout24 platzieren, Monsterjaguar, schwarz, gepflegt, zweite Hand. Oder ergibt es sich, dass wir uns trennen? Vila langte über den Tisch, fast ein Griff nach Renz’ Hand, aber dann nahm sie nur die Flasche mit dem Öl neben seinem Teller und gab sich etwas auf den Salat, ein sämiges Öl, wie das von ihren Bäumen, als sie die Ernte noch zu Leuten mit eigener Presse gebracht hatte, ganze Säcke schwärzlicher Oliven. Nein, es ergibt sich nie etwas, wenn es ums Loslassen geht. Renz hat das Messer aufgehoben und die Schnur zu dem Fisch gekappt, ein bleibender Schrecken. Und vielleicht macht er es sogar: sein gutes Stück verkaufen, sich befreien davon. Sie stellte das Öl in die Tischmitte und sah über den Platz mit blassgelber Kirche, ein paar grauen Häusern und zwei Palmen, davor der Jaguar neben kleinen Fiats und einem Motorino. Er war nicht schön, der Platz, keine Piazzetta zum Seufzen, aber es reichte, sich dort ein Fest vorzustellen, Fähnchen, Blasmusik, Monstranzen, Frauen in Schwarz, Mädchen mit Lackschuhen und ein Pfarrer, der auch Pferde segnet. Überleg lieber, was wir tun sollen, sagte Renz. Nach Palermo fahren? Er aß den Rest seiner Nudeln, die Sugo aus Auberginen und eingelegten Tomaten, dazu Oliven, Koriander und noch irgendetwas – wenn das Leben zu schwierig wird, geht man auf Reisen oder fängt an zu kochen, notfalls im Kopf. Entscheide du, sagte sie, aber er sah nur zu seinem Wagen, als würde er schon über den Preis nachdenken, und fragte, ob sie einen Espresso wollte. Nein, wollte sie nicht, nicht im Moment, und er bestellte einen für sich, seine alte Taktik: Wenn es kritisch wird, mit gewohnten Dingen die Zeit vergehen lassen, wenig reden. Wer zu viel redet, bekommt ein exponentielles Problem, er muss immer noch mehr reden. Wir können hier auch ewig sitzen bleiben, sagte sie, als Renz schon an dem Espresso nippte, die Lippen am Tassenrand, nicht diese Italienerart, erst lange in dem schwarzen Schluck zu rühren, um ihn dann wie einen Schnaps zu kippen; es hatte eher etwas von Küssen oder einem
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