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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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Scheißerei gehört zu Havanna wie der Geheimdienst, sagte Spiegelhalter. Der Leiter des Instituto Fichte saß vorn, eine Flasche Wein in der Hand; sein erster Blick auf Vilas Begleiter hatte für die Diagnose gereicht. Und hinter dem mächtigen Lenkrad der Hauptmann, das Modell hatte schon Automatik, es ging auch mit einem Bein, er fuhr zum Malecón hinunter und dort in nördlicher Richtung auf die alten Casinos zu. Das Meer dunkelblau, über den Wellen die Möwen, torkelnd im Wind, am Horizont ein dünnes Wolkenband; italienisches Licht.
    Und Vila hielt zwei Hände, die nicht Renz’ Hände waren, kühl und leicht in ihren ohne Schmuck, sie trug weder Ring noch Armreif, nur die Reverso, innen das Datum von Katrins Geburt, ihr wahrer Hochzeitstag, wie diese Uhr auch ihr geheimer Ring war – ein klarer Tag im März, sie hatte lange versucht, Katrin auf die Welt zu bringen, so, wie es sein sollte, dann die Entscheidung, das Kind zu holen, also bekam Renz es vor ihr zu sehen, einen halben Nachmittag war er allein mit dem knittrigen Wesen, die innigsten Stunden, die er mit Katrin je hatte, und am Abend brachte er ihr das Bündel, der Mutter, die sie selbst noch dabei war, wieder die Welt zu betreten. Unser Kind, sagte er, und bis Katrin aus dem Haus war, dachte sie, es sei der beste Moment ihrer Jahre gewesen, und im Grunde dachte sie es noch immer, nur war die Kehrseite dieses ersten Abends zu dritt, der dunkle Punkt, an dem ein Paar zum Paar verdammt wird, als gäbe es ein verborgenes, eigentliches Sakrament der Ehe, die heilige Hassliebe, stark genug, jedes Verlangen nach Veränderung im Keim zu ersticken. Und auf einmal der unbegreifliche Wunsch, dass Renz neben ihr säße, seine Hände in ihren lägen und sie sich gegenseitig auf Dinge aufmerksam machten, wie immer bei Reisen, Siehst du die Kaimauer: wie eine gebogene Schiene, die alles dahinter Liegende, Bröckelnde abstützt. Und er: Ja, ja, die Höhenflüge längst vergessener Bauherren.
    Wir schaffen das, sagte Bühl, als sie vor einer Ampel standen, wir finden deine Tochter. Heute finden wir sie!
    Vila legte den Kopf an seine Schulter. Sie konnte nichts erwidern, nichts – jahrelang hatte sie sich ihre Verdammnis mit der Fessel an Katrin erklärt, das Kind, das sie am Leben erhalten musste, Tag für Tag, Nacht für Nacht, eine Fessel, die erst von ihr abfiel, als Katrin zwölf war und mit den Eltern einer Freundin im Sommer ans Meer fuhr, ohne die Spur einer Abschiedsträne, und sie mit Renz auf einmal ganz allein im Haus war, mit schrecklich viel Zeit füreinander, aber ohne Plan, wie sie zu füllen sei. Renz putzte aus lauter Verlegenheit und kaufte auch ein, er brachte ein enthäutetes Kaninchen von dem künstlerischen Metzger und packte es vor ihr aus, erbärmlich wie eine Frühgeburt lag es auf altem Zeitungspapier, sie konnten es nicht zubereiten, nicht essen, und begruben es schließlich im Garten und aßen stattdessen Nudeln mit Butter und gingen danach ins Bett, in seins, in das man nur ging, um zu kommen: ihr Wortspiel, das er später vor Freunden, Heide und Jörg mit mallorquinischer Finca, zum Besten gab; wie immer waren es die kleinen, ungeheuren Vertrautheiten, die sie zueinandertrieben, ein Wort, eine Geste, ein Anblick, Dinge, die keine Gütertrennung je erfassen könnte. War das Bett dann erledigt, fing Renz an zu warten, dass Katrin anrief, aber sie rief ihn nicht an, wie sie auch nie Papa sagte, höchstens als Witz. Als sie das Sprechen lernte, hatte er sich gerade einer Schauspielerin zu Füßen geworfen und es versäumt, Teil ihrer kindlichen Sprache zu werden, und gar nicht gemerkt, wie seine Tochter ihn, allerliebst lächelnd, exkommunizierte. Er bemerkte nur bald die Folgen und begriff, dass er drei weibliche Wesen auf einmal nicht halten konnte, also versuchte er, das schwächste loszuwerden, die Geliebte, und das ganz allmählich, damit es weniger wehtat. Er hat die Schauspielerin, die mit seinen Sätzen im Mund als Chefin eines Lokals ihren täglichen Kampf mit den Gästen und Angestellten führte, jeden Dienstag ab neunzehn Uhr fünf, langsam vergiftet, ihre Gefühle für ihn immer unmöglicher gemacht, indem er sich unmöglich machte, ein Verfahren, das sie, als seine Frau, erschreckt hatte, obwohl sie Nutznießerin war. Zuletzt tat ihr die Schauspielerin fast leid, zumal sie noch seine Sätze sprechen musste und dabei alterte; das Ganze wurde vorzeitig abgesetzt, es gab auch keine Wiederholungen. Monatelang hat der Sender noch

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