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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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immer den Konflikt zwischen dem gefeierten Staatsdichter, den das kubanische Volk verehrt, und dem Mann, der nichts weiter will als eine Sprache der Liebe erschaffen? Wie vertragen sich Eros und Politik? Vila zeigte ihr Fernsehlächeln, Bühl hatte auf sie geschwenkt, so war es geübt worden, und der von Castro und García Márquez Gefeierte hob einen dürren Finger in Richtung der Kamera; überhaupt hatte er ständig die Kamera im Auge und mehr noch den vermeintlichen Kameramann, die Interviewerin interessierte ihn nur am Rande, und von ihrer Frage waren genau zwei Worte hängengeblieben. Ich feiere den Eros, erwiderte er – Spiegelhalter übersetzte jetzt simultan und streute ein Lob für den Wein aus Italien ein –, eine Feier, bei der das kubanische Volk immer bei mir ist, es gibt keinen Widerspruch zwischen Kunst und allgemeinem Willen. Wie viele Zuschauer hat Ihre Sendung? Fernández sah einen Moment lang zu Vila, nicht wirklich interessiert an einer Zahl, nur an einer Beschämung, als hätte seine Tochter die Quote längst übers Internet abgefragt, dann sah er wieder zu Bühl. Chris, are you sick? Der alte Dichter hatte nicht nur Gespür für Worte, auch für alle Erscheinungen des Havanna-Leidens, und Spiegelhalter rückte an seine Auftraggeberin heran. Das Nobelpreisthema, jetzt oder nie, flüsterte er, und Vila rückte ihrerseits so nah an Fernández, dass er sie kaum ignorieren konnte. Sie sprach von europäischen, aber vor allem von amerikanischen Stimmen, die ihn gern in Stockholm sehen würden, als Empfänger des Nobelpreises für Literatur, und von den Stimmen kam sie auf den guten Geist amerikanerischer Universitäten und ihre gute Tochter, die in Orlando studiere, genau wie sein Neffe. Die zwei kennen sich sogar, ist das nicht lustig, sagte sie auf Englisch. And how do you like America?
    Der mütterliche Vorstoß war nicht abgesprochen, Spiegelhalter räusperte sich leise, während Bühl Fernández’ Aufpasserin filmte, der beste Weg, sie abzulenken. Er holte ihr Gesicht heran, den mürrischen Blick, er ging auf die Hände, die sie am Koppelschloss eingehakt hatte, er hielt die Luft an für ruhige Bilder, und seine Krämpfe kehrten zurück. Amerika, rief Fernández, auch ein Teil seines Herzen! Die vierziger Jahre in New York, mit seiner Frau, einer Sängerin, sie hätten Geld gehabt, durch die Auftritte in Jazz Clubs, gute Dollars, damit hätten sie Bilder von Emigranten gekauft, einen Kandinsky, zwei Klees, ein paar Picassos, alle weg. Und wohin, fragte Vila, als ihr Kameramann das Gerät auf den Tisch legte – eine Notlage, vom Hausherrn sofort erkannt. Fernández griff Bühl unter die Arme, seine Husky-Augen strahlten. So ist das Leben, erklärte er an Vila gewandt und mit kurzer Pause für seinen Simultanübersetzer: Wir können uns nicht aussuchen, was uns heimsucht, weder im Darm noch in den eigenen vier Wänden – den Kandinsky hat sich Che geholt, ein Matisse hängt bei Fidel, für die zwei anderen wurde Rohöl gekauft, Fidels ungebildeter Bruder hat die Picassos über dem Sofa – alle bis auf einen. Am Ende des Lebens bleibt nichts als das Leben, Madam, sagen Sie das Ihren Zuschauern, um welche Zeit wird gesendet? Acht Uhr abends, das ist meine Zeit hier im Fernsehen. Die Menschen müssen gegessen haben und mit einer Zigarre in der Hand zuhören. Und das Richtige gegessen, kein Fleisch vom Freimarkt – vamos, my friend! Und damit führte er Bühl aus dem Wohnzimmer, vorbei an seiner rauchenden Tochter, die das Funkgerät jetzt um die Schulter trug wie Wachposten eine Maschinenpistole.
    Sie gingen durch zwei kleine verdunkelte Räume und danach einen Flur entlang, schmal wie ein Geheimgang, der Hausherr hatte die Hand unter Bühls Achsel, ein Polizeigriff, aber weich, dazu ein beruhigendes Einreden auf den Kranken, bis er am Ende des Ganges eine unscheinbare Tür öffnete; sie führte in ein enges Bad mit Klo, unter der Waschschüssel ein Hocker, den nahm sich Fernández und stellte ihn in den Flur wie den Hocker eines Toilettenmanns. Dann langte er in ein Regal und zog eine Zeitung hervor und reichte sie Bühl. Die Granma, mein Freund, unsere einzige Tageszeitung, es gibt kein weicheres Papier in Havanna – er sprach jetzt amerikanisches Englisch, hervorgepresst zwischen weißen Gebisszähnen –, und wenn die Tür zu ist, gibt es eine einzigartige Ablenkung. But don’t touch it, Chris, it’s just for your eyes!
    Und von Bühl nur ein Yes Sir, dann war er schon in dem Bad mit

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