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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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erklärt, die Sache würde weitergehen, ja sogar Drehbücher in Auftrag gegeben und die Schauspielerin in Talkshows geschickt, und dann hörte es mittendrin auf, eine saumäßige Trennung wie die von Renz. Lippenstift und Rosmarin hieß die Serie. Und als sich das Ganze erledigt hatte, reisten sie zu dritt durch Florida und bereiteten im Grunde Katrins späteren Abgang vor. In einem Holiday Inn bei Daytona Beach, wo es Kinderbetreuung gab, fanden sie nach fast einem halben Jahr wieder zusammen, und beide hielten sie diese Nachmittagserlösung für göttlich, wo sie doch nichts als menschlich war.
    Schläfst du? Bühl tippte ihr an die Stirn, und sie streichelte seine Hände, Zeichen, dass sie wach war, bei ihm und nicht woanders, die erste kleine Falschheit. Was macht dein Leiden, fragte sie ihn, und er zog nur ihren Kopf an seine Brust: die etwas Festes und zugleich Weiches hatte, ein entspannter Muskel, fest und weich wie die Beine von Renz, als er noch Tennis spielte oder sonst wie in Bewegung war – nach der Floridareise hatten sie einen Tanzkurs belegt, mit Freunden aus derselben Straße, Anne und Edgar, sie Physiotherapeutin, er Sportjournalist. Und nach der dritten Stunde hatte Anne einen Radunfall und musste aufhören, und Renz lag mit Grippe im Bett, aber der Kurs war bezahlt. Also machten Edgar und sie allein weiter, er wollte unbedingt Tango lernen, Anne hatte ihm den Kurs zum Geburtstag geschenkt, und so übte er alle Griffe und Schritte mit ihr, die kleinen Befehle, die der Mann in den Rücken der Frau drückt, und nach dem vierten Mal gingen sie hinterher etwas trinken, während Anne in der Reha war und Renz in Berlin, und irgendwie eskalierte alles, sie gingen in Annes Praxis und trieben es dort oder versuchten, es dort zu treiben, sie noch im Tanzkleid, auf dem Boden Strumpfhose und Slip, er idiotisch nackt. Es war so gut wie nichts passiert, folglich gab es auch nichts zu erzählen, und Anne und Edgar waren nach wie vor ihre Freunde, obwohl alles existierte, was die Freundschaft zerstören konnte. Aber irgendetwas musste sie loswerden, und sie erfand eine Geschichte für die Edgar-Geschichte, eine Hotelzimmersache mit einem ihrer Kandidaten, der am Ende aus Termingründen gar nicht in die Sendung kam; sie erfand sogar Details, nur um Renz zu verletzen, und er brachte auch welche, zwischen ihm und der abservierten Schauspielerin. Sie überboten sich gegenseitig bei zwei Flaschen Barolo, bis sie weinten und übereinander herfielen: das erste Mal, dass es keinen würdigeren Ausweg gab als den des Sex, der an sich schon wenig Würde hat, aber blödsinnig guttun kann, wie ein Hausputz im Sommer und das Rasenmähen, wenn danach das gereinigte Haus auf einem grünen Teppich steht, so satt geborgen in der Abendsonne, dass man ein Foto macht und beim Anschauen des Fotos leise seufzt.
    Sie waren ein Stück vom Meer abgebogen, die Gegend der einstigen Casinos und Ballroom-Hotels lag hinter ihnen, jetzt ging es durch weites Brachland, darauf nur verstreute Gebäude, wie vom Himmel gefallen, eine Öde, die abrupt endete; auf einmal blühende Bäume, jungfräulich weiße Palais und Polizei an jeder Ecke, das Diplomatenviertel. Und in der Calle Vente oder Straße Nummer zwanzig wohnte der Dichterheld des kubanischen Volkes Pablo Armando Fernández mit Verbindungen bis in die Staatsspitze. Vila griff Bühl an den Magen, Was macht die Krankheit? Sie war besorgt um ihren Kameramann, und der presste seine Lippen aufeinander, wie amerikanische Präsidenten, wenn sie sich und der Welt Mut machen wollen, und zog eine Falte an ihrem Kleid glatt, eine Bewegung ganz nebenbei, als Kampe mit dem alten Pontiac schon in die Calle Vente bog, um gleich vor dem ersten Haus zu halten, einer verwinkelten Villa halb unter Bäumen, alle Fensterläden zu, alles ruhig. Nur eine Katze strich durch den Vorgarten, die erste Katze, die Vila in Havanna auffiel, eine Hundestadt.
    Spiegelhalter und der Hauptmann stiegen aus, sie besprachen die Taktik, falls Sicherheitsleute auftauchen sollten, ein Geflüster in der Nachmittagsruhe, bis ihr Havanna-Führer einmal leicht an die Türglocke schlug, ein Ton wie der im Kirchturm von Torri bei Kinderbegräbnissen, und nach kurzer Stille ging eins der Fenster auf, darin eine Frau um die Fünfzig mit militärisch anmutendem Funkgerät. Die mürrische Tochter, so heißt sie hier, sagte Spiegelhalter und rief dann etwas auf Spanisch, eine Art Parole, zweimal, dann machte die Tochter ihm Zeichen: um das

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