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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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Hausfassaden, Hühnerteile mit Salat, Sandwiches mit Thunfisch und Ei. Vila aß von dem Huhn, das Besteck ließ sie liegen, sie zog die welke Haut ab und brach die Knochen, Bühl aß das dunkle Fleisch, keiner sagte etwas, ihre Zehen berührten sich, ein einfacher Kontakt. Bis der Musiktrupp Pause machte, saßen sie an dem Tisch, dann wollte Vila zu den Mädchen auf den Steinbänken in dem Platanentunnel. Es ging um Nachtaufnahmen für den Trailer, also zogen sie dorthin, und Bühl fragte eine der Knappgekleideten, ob er sie filmen dürfe. Und er durfte; sie lief auf Plateauschuhen hinter die Steinbank und holte ein schlafendes Kind aus den Büschen, sie wiegte es und rauchte dabei, und er nahm beide auf, in seinem Nacken eine Hand.
    Und jetzt die Brandung, sagte Vila, als gäbe es einen Drehplan, der den Liebesplan ersetzte, und sie zogen weiter, zum Meer. Dort drückte die Flut herein, und sie filmten die Gischt vor dem Nachthimmel, ihr Zerstäuben, und die Lachen auf dem Malecón, vom Wind wie gekämmt; sie filmten das Vorbeifahren der Autos und auf dem Rückweg schlafende Hunde. In einem Ausschank mit Kerzen statt Glühbirnen tranken sie noch etwas, vor jedem Schluck ein Anstoßen mit den Flaschen, ihre ganze Unterhaltung, Schulter an Schulter über die Theke gebeugt, Bühl mit einer Hand am Magen. Und zuletzt zogen sie durch den nestartigen Park, die späten Vögel piepsten, auf den Bänken die umschlungenen Pärchen, sicher auch ein Motiv, aber Vila winkte ab: Was nicht ausgeleuchtet ist, hat keine Chance, es heißt nur Nachtaufnahmen, die Nacht im Fernsehen ist allenfalls blau. Bist du müde, willst du ins Bett? Sie griff um Bühls Rippen und er um ihre, so gingen sie zum Hotel und kamen in eine leere Halle; nur zwei Geheimdienstler in einer der Sofanischen, sie hoben ihre Köpfe wie die Straßenhunde.
    Die mögen uns nicht, sagte Vila auf dem Weg zu den Fahrstühlen, und von Bühl erst in der engen Kabine ein Wort, immer noch die Hand am Magen, Warum sollten sie auch. Und jetzt? Er hatte auf Fünf gedrückt, aber Vila stieg nicht aus, als der Lift hielt, also eine rucklige Weiterfahrt bis zum achten Stock, sie mit der Stirn an Bühls Rücken, einen Arm um den Mann, mit dem sie aufs Zimmer wollte. Man entscheidet sich nicht für die Liebe, wie man sich für ein Kind entscheidet, die Entscheidung ist schon getroffen, bevor man sie zu treffen glaubt. Und eigentlich dürfte sie nichts anderes tun, als Katrin zu suchen, auch an nichts anderes denken, und jetzt dachte sie an nichts anderes als an die nächste Stunde oder genauer, die nächsten zehn, zwölf Minuten, wie sie in Bühls Zimmer gleich ins Bad verschwinden würde, noch angezogen, und nach dem Duschen im Hotelbademantel wieder auftauchte – es war Jahre her, dass sie sich jemandem nackt gezeigt hatte, der nicht Renz war, ihr ein Mann es wert erschien, sie zu sehen, wie sie war, nur war sie sich nicht sicher, nicht wirklich auf die blinde Art früherer Jahre sicher, ob es liebende Blicke wären oder nur interessierte – ein Schwanken zwischen der fünften und achten Etage, ehe Bühl sie aus der Kabine zog. Er drückte sie an die Flurwand neben einem gerollten Feuerwehrschlauch, er griff unter ihr Hemd und legte eine Hand auf die linke, vollere Brust – die erste Hand dort seit der Nacht, in der sie erfahren hatte, dass Renz und sie Großeltern würden –, dann küsste er ihre Lippen, ihre Wange, das Ohr, und sagte ihr etwas ins Ohr, eigentlich kaum auszusprechen, wenn zwei sich kaum kennen, noch wie auf einem Hochseil gehen. Das Fleisch in diesem Musiklokal war nicht gut, sagte er, ich sollte besser allein sein. Und das jetzt gleich.
    Keine Ideen vom Glück, sondern Bakterien bestimmten also den Verlauf dieser Nacht (wie eine Bestätigung des renzschen Pessimismus, dass alles, was uns zerstören kann, schon existiert, aber zerstört war nur eine Darmflora). Wieder und wieder saß Bühl in seinem Bad ohne Vorhang und ohne Fensterläden, und als die Sonne aufging und der Mann auf dem Balkon gegenüber seine Nassrasur begann, trat alles Leid zutage, und der schwarze Nachbar winkte ihm zu, ein solidarisches Winken, und dann sogar ein Ratschlag, herübergerufen: dünner Tee und kleine weiße Tabletten, die es im Hotel gebe. Und Bühl winkte zurück, erschöpft, entleert, am Ende und Anfang zugleich. Mit Schüttelfrost ging er ins Bett, ein Dämmern und ein Zähneklappern – Franz kann es kaum elender gegangen sein, winters in der umbrischen Macchia, wenn

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