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Liebe in St. Petersburg

Liebe in St. Petersburg

Titel: Liebe in St. Petersburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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jetzt vor Ihnen liegt, ist die Unendlichkeit!«
    »Ich werde Sie zwingen, es mir zu sagen!«
    »Nach Kosakenart?« Sie schlug die schlanken Beine in dem ledernen Jagdanzug übereinander. »Wenn ein Schuß in diesem Zimmer fällt, sind Sie ein toter Mann. Vergessen Sie nicht – wir waren auf Ihr Kommen vorbereitet!«
    »Sie schüchtern mich nicht ein! Anna Petrowna, Sie kennen die Kosaken nicht!«
    »Welch ein Irrtum, Peotschak! Ich bin mit einer Abart von ihnen aufgewachsen. Meine ersten Verse waren nicht das Vaterunser, sondern das Lied vom ›Hurenbock mit dem schwarzen Backenbart‹. Kennen Sie es? Soll ich es Ihnen vorsingen?«
    »Schluß jetzt!« Peotschak riß mit einem Ruck seine Pistole aus dem Gürtel. Aber noch bevor er sie ganz erhoben hatte, bellte Anna Petrownas Schuß und riß ihm die Waffe aus der Hand. Sie wurde weggeschleudert und polterte gegen die Wand. Eine Sekunde später wurden alle Türen des Salons aufgerissen, und Michael Egonowitsch starrte in die Gewehrläufe und auf blanke Säbelklingen der Leute von Trasnakoje.
    »Ich stehe hier im Auftrag des Großfürsten!« brüllte er. Von draußen hörte man jetzt knatterndes Schießen, als käme aus jedem Winkel von Trasnakoje ein Schuß. Und so war es auch – es gab kein Fenster ohne Waffe, keine Tür ohne Tod, sogar die Weiber schossen mit, aus der Küche, aus der Scheune, aus dem Waschhaus, und unter ihnen kniete Alla und zielte und krümmte den Finger, als habe sie die beste militärische Ausbildung …
    Anna Petrowna erhob sich und ging langsam auf Peotschak zu.
    »Es ist Krieg, Michael Egonowitsch!« sagte sie, als sie kurz vor ihm stehenblieb. »Nicht nur an der Front, in ganz Rußland! Seien Sie ein tapferer Offizier, Gott mit Ihnen!«
    »Bleiben Sie stehen!« schrie Peotschak. Er wollte Anna Petrowna festhalten, aber im gleichen Moment, in dem er die Hand hob, peitschten Schüsse auf. Peotschak brach in die Knie. Er roch noch den Pulverdampf, er sah noch, wie drei Lakaien mit blitzenden Säbeln auf ihn zurannten – aber den ersten Schlag spürte er schon nicht mehr. Die neun Kugeln, die seinen Körper trafen, hatten sein Leben ausgelöscht.
    Man hat später nie erfahren können, wo die Kosakenpatrouille von zehn Mann und zwei Offizieren geblieben war. Sie blieb verschollen, seit sie aus der Kleinstadt Wladinoschosk hinausgeritten war.
    Auch daß ein einsam gelegenes Waldstück plötzlich ›Zu den zwölf Kosaken‹ genannt wurde, wußten nur die Leute von Trasnakoje, und ein abgeschirrter Kosakengaul sieht genau so aus wie andere Gäule …
    Drei Tage später funktionierte die Telefonverbindung wieder. Michejew rief aus dem Hauptquartier von General Rennenkampf an.
    »Wie geht es unserem Töchterchen?« fragte er.
    »Grazina ist ausgeritten!« antwortete die Michejewa kühl. »Was macht der Krieg, General?«
    Michejew schluckte. Man konnte es über die weite Entfernung hören. »Hattet ihr Besuch?« fragte er weiter.
    »Nein, keinen. Hatten Sie welchen eingeladen?«
    »Keine Soldaten?«
    »Was sollen Soldaten in Trasnakoje?« erwiderte Anna Petrowna ironisch. »Soldaten gehören jetzt zu Ihnen an die Front! Wann haben Sie die Deutschen geschlagen? Haben Sie schon angefangen?«
    »Ende!« schnaubte Michejew grob und legte auf. Aber im Innern jubelte er. Nikolai Nikolajewitschs Schlag gegen Gregor schien danebengegangen zu sein. Michejew sah General Rennenkampf mit gespieltem Zorn an. »Weiber!« rief er. »Sie begreifen einfach den Ernst der Lage nicht …«
    »Die Kosaken waren nicht da?« fragte Rennenkampf.
    »Nein! Niemand!«
    »Merkwürdig! Ist es bei Ihnen üblich, daß Menschen einfach verschwinden?«
    »Im Sommer? Nie! Im Winter, bei den Wolfsrudeln …« Michejew hob die Schultern unter den breiten Generalsschulterstücken. Sein eisgrauer Bart schien sich zu sträuben.
    Er ahnte, was in Trasnakoje geschehen war, ahnte es mit Schaudern. Aber es sieht Anna Petrowna ähnlich, dachte er. Sie kennt keine Angst. Was sind zwölf Kosaken gegen sie.
    »Ihre Tochter ist auf Trasnakoje?« fragte Rennenkampf mit penetranter Hartnäckigkeit.
    »Sie ist ausgeritten, sagte meine Frau.«
    »Und Ihr … Ihr Schwiegersohn mit ihr?«
    »Das fände ich natürlich …«
    »Ich verstehe Nikolai Nikolajewitsch nicht mehr!« meinte Rennenkampf achselzuckend. »Erst dieses Theater …«
    Dann gaben sie das Telefon frei für die Frontmeldungen. Schließlich war Krieg. Und man wollte nicht einen Deutschen fangen – sondern ganz Deutschland

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