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Liebe in St. Petersburg

Liebe in St. Petersburg

Titel: Liebe in St. Petersburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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des Offiziers. Der Kosakenrittmeister erstarrte, zögerte, griff dann nach seiner Mütze und riß sie herunter.
    »So ist es gut«, sagte die Gräfin kalt. »Jetzt dürfen Sie nähertreten und einen eisgekühlten Fruchtsaft trinken. Der lange scharfe Ritt wird Sie durstig gemacht haben!«
    Sie winkte mit der Pistole, und der Offizier folgte ihr wie eine Marionette. Das ist sie also, dachte er. Das ist die Michejewa! Mein Gott, wie hast du Rußland mit schönen Frauen beschenkt!
    »Gregor von Puttlach war also hier?« fragte der Rittmeister der Kosaken. Er hieß Michael Egonowitsch Peotschak und stammte aus der Ukraine.
    »Natürlich«, antwortete Anna Petrowna.
    Zwischen ihr und Rittmeister Peotschak lag die geladene Pistole auf dem kleinen Tisch. Der Rittmeister holte tief Luft.
    Sein Onkel war ein berühmter Mann, ein Wissenschaftler, der sich mit Verhaltensforschung bei Tieren abgab, ein Zweig der Biologie und Zoologie, der noch etwas schief angesehen wurde und den man vielerorts mit einem Lächeln zur Kenntnis nahm. Ein Tier war ein Tier – daß es seelische und sogar intelligente Vorgänge zeigte, war zwar interessant zu wissen, machte aber aus einem Tier noch keinen dem Menschen ebenbürtigen Partner. Die Hauptsache war doch, daß eine sibirische Silberente gut genährt war, wenn man sie schoß. Immerhin gab es aber den ›Peotschakschen Reflex‹, eine bei einer bestimmten Würmerart festgestellte Reaktion auf Licht und Dunkelheit, obwohl diese Würmer blind sind. Sie müssen also mit den Hautzellen ›sehen‹ können …
    »Der Deutsche ist geflüchtet!«
    »Ja.«
    Draußen waren die Kosaken und der junge Leutnant von ihren müden Pferden gestiegen. Keiner kümmerte sich um sie, niemand reichte ihnen Erfrischungen oder führte die Pferde zur Tränke. Vorplatz und Garten, Scheunen und Gesindehäuser schienen ausgestorben zu sein. Kein Mensch ließ sich blicken, aber hinter den Fenstern und durch Türritzen beobachteten fast hundert Augen die elf Soldaten, die böse um sich blickten und genau verstanden, wie unbeliebt sie hier waren.
    »Ich komme im Auftrag des Großfürsten Nikolai …«
    »Ich weiß! Er hat auch die Telefonleitungen gesperrt.« Anna Petrowna hatte sich gesetzt. »Der Fruchtsaft kommt gleich. Machen Sie es sich bequem, Michael Egonowitsch …«
    Das war vor zehn Minuten gewesen. Jetzt bemühte sich Peotschak, seine Verzauberung abzuschütteln und nichts weiter zu sein als ein Kopfjäger.
    »Er ist also – mit Ihrer Hilfe geflüchtet!«
    »Er ist mein Schwiegersohn. Es ist bei uns nicht üblich, daß man den Mann seiner Tochter ausliefert.«
    »Sie sind von unserem Kommen benachrichtigt worden! Wer war es?«
    »Erwarten Sie darauf wirklich eine Antwort, Michael Egonowitsch?« Anna Petrowna lächelte wieder.
    Peotschak stand auf, um sich selbst aus ihrem Blick zu verbannen. Du bist ein Kosak, dachte er, du bist anders als die sonstigen Soldaten. Das hat dir schon dein Onkel, der berühmte Verhaltensforscher, gezeigt. »Was, du bist bei den Kosaken?« hatte er gebrüllt, als Michael Egonowitsch sich als junger Fähnrich in Uniform vorstellte. Dann hatte der sonst immer so liebe und sanfte Onkel ihn kräftig angespuckt und war aus dem Zimmer gegangen. Michael Egonowitsch ertrug es mannhaft. Das hat er von den Lamas gelernt, redete er sich ein, man darf es ihm nicht übelnehmen. Wer mit Tieren lebt, nimmt einige ihrer Gewohnheiten an.
    »Ich werde die Leute verhören, Anna Petrowna!« sagte Peotschak laut.
    Die Michejewa nickte erfreut. »So viele und solange Sie wollen!«
    Das gibt ihnen einen Vorsprung von vielen Stunden, dachte sie.
    »Es kann aber auch sein, daß nur Sie allein wissen, wohin der Deutsche und Ihre Tochter geritten sind.«
    »Die Möglichkeit besteht, Rittmeister. Suchen Sie sich also aus, was Ihnen paßt. Noch einen Schluck? Herrlich kalt, der Fruchtsaft … Das Glas beschlägt sogar!«
    »Danke. Nur Sie allein wissen es also, nicht wahr?« Peotschak drehte sich herum. Die Michejewa saß zurückgelehnt in ihrem Sessel und hatte jetzt die Pistole in der Hand. Der goldene Zarenorden um ihren Hals glitzerte in der Sonne.
    »Ja!« Sie machte eine weite Bewegung mit der freien Hand. »Rußland liegt vor Ihnen, Rittmeister. Suchen Sie es ab!«
    »Sie wissen genau, wie unmöglich das ist.« Michael Egonowitsch baute sich breitbeinig vor Anna Petrowna auf. In ihrem Lächeln lag jetzt eine stumme Warnung.
    »Ja, es ist unmöglich, Peotschak. Als Sie kamen, hatten Sie ein Ziel, was

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