Liebe in Zartbitter
stolpert und stürzt in ein tiefes Loch. Sie fällt mit ihm. Um sie herum ist Lärm, Dunkelheit und Enge. Als er sich an ihr festhalten will, hebt sie die Hand und schlägt ihm ins Gesicht. Wieder und wieder.
Vor Schmerz stöhnt André de Marville laut auf.
Ich bin am Verzweifeln. Auf mein Klopfen und Schreien hat niemand reagiert. Meine Stimme versagt und meine Fingerknöchel sind wund. Genützt hat es nichts. Wir sind allein, hilflos im Bauch des Busses gefangen. Wie lange schon? Mir kommt es wie eine Ewigkeit vor. Fürchterlicher Durst quält mich und die Angst zu ersticken, denn die Luft hier drin ist kaum noch zu atmen.
Der Mann neben mir hat bis auf ein paar Töne, die wie Schnarchen geklungen haben, die ganze Zeit über keinen Laut von sich gegeben.
Ich rüttele ihn. Keine Reaktion. Obwohl es mich Überwindung kostet, klatsche ich ihm meine flache Hand ins Gesicht. Wieder und wieder.
„Aufwachen, Monsieur, wir müssen hier raus! Das schaffe ich nicht allein!“
Da greift eine Hand nach meiner, hindert sie daran, erneut zuzuschlagen.
„Qu'est-ce que c'est que ça? Vous êtes fou? Arrêtez immédiatement!“ (Was soll das? Sind Sie verrückt? Hören Sie sofort auf damit!)
„Tut mir leid, aber reden Sie bitte deutsch mit mir“, erinnere ich ihn, erleichtert, dass er wieder bei sich ist.
„L'eau, s'il vous plaît“, murmelt er, „Wasser!“
„Haben wir leider nicht! Auch nichts zu essen. Und kaum noch Luft.“
Ich spüre wie meine Nerven versagen, panische Angst sich in mir breit macht.
„Ich will nicht hier drinnen ersticken! Ich will raus! Raus!“, schluchze ich und kann die Flut salziger Tränen nicht zurückhalten, die ungehindert wie ein Wasserfall über meine Wangen schießt.
Da spüre ich, wie er sich mühsam aufrichtet und mich in seine Arme zieht.
„N'ayez pas peur. Keine Angst, Madame“, tröstet er, „ich nehme nicht an, dass dieser Raum ist so dicht, dass wir keine Luft mehr bekommen.“
Ich glaube ihm nicht.
„Wir müssen hier heraus, sofort!“, krächze ich und schlucke würgend meine Tränen hinunter.
Die Arme packen mich fester. Eine Hand streicht mir über den Kopf, wischt mir die Feuchte aus dem Gesicht.
„Beruhigen Sie sich doch! Wir nichts können tun. Man wird uns finden und hier herausholen. Schon bald, Sie werden sehen.“
Er klingt so ruhig und gefasst, dass ich schreien könnte. Wie lange sollen wir denn warten, bis Hilfe von Draußen kommt?
Erneut fangen meine Tränen zu rinnen an.
„Bitte“, flehe ich, „ich halte es nicht mehr aus. Lassen Sie es uns wenigstens versuchen!“
Ohne seine Antwort abzuwarten mache ich mich los und taste mit den Füßen nach der Buswand. Etwa in der Mitte muss die Klappe sein. Mit voller Kraft trete ich dagegen. Nichts geschieht. Ich trete erneut. Wieder nichts. Krampfhaft überlege ich, wie die Kofferraumklappe funktioniert. Wenn Fritze das Gepäck eingeladen hat, ist ein Teil der Wand nach oben geklappt gewesen. Das Schloss muss sich also weiter unten befinden.
Ich trete ein weiteres Mal mit beiden Füßen zu. Die Wand ächzt. Ich halte nach Atem ringend ein.
Allein schaffe ich es nicht!
Als ich ihn bitten will, mir zu helfen, höre ich ein gewaltiges Krachen. Er hat es mir offenbar nachgetan und mit seiner ganzen Kraft gegen die Klappe getreten.
Wegen seiner Verletzung scheint es ihm große Mühe bereitet zu haben. Sein Atem geht schnell und flach.
Wir könnten erfolgreich sein, wenn wir gemeinsam handeln. Ich erkläre ihm, wie ich es mir vorstelle: Die Knie anwinkeln und dann mit gebündelter Kraft mit beiden Füßen nach unten gegen das Blech treten. Als er sich mühsam neben mich gewälzt hat, zähle ich: Drei... zwei... eins ... jetzt!“
Gemeinsam krachen unsere vier Füße gegen die Wand, die bedrohlich ächzt.
„Noch einmal... wir schaffen es!“
Obwohl der zweite Versuch schwächer ausfällt, ertönt daraufhin ein quietschendes Krachen, das Blech gibt tatsächlich nach. Mit einem letzten Tritt, den ich allein ausführe, stoße ich die Klappe auf.
Endlich Luft!
Schweißgebadet lasse ich mich zurücksinken. Mir ist schwindelig, Sterne tanzen wild vor meinen Augen. Bloß raus hier!
Vorsichtig stecke ich den Kopf ins Freie, schiebe den Körper hinterher und lasse mich zu Boden fallen. Die Befreiungsaktion hat mich meine letzten Kräfte gekostet.
Minutenlang bleibe ich regungslos im Gras liegen, konzentriere mich darauf, tief ein- und auszuatmen.
Der Mann ist mir nicht gefolgt. Aus dem
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