Liebe Isländer: Roman (German Edition)
du. Die saßen nur da und rauchten Kette. Wenn viele davon zusammenkommen, dann entsteht solch eine dicke Luft, dass es mehrere Tage dauert, den Geruch wieder hinauszubekommen.«
»Ja, das sind oft Extremisten«, antwortete ich vielsagend.
»Das sind sie oft, aber sie haben nicht auf den Zimmern geraucht. Das verbiete ich. Und sie haben es respektiert.«
»Ja, genau.«
»Ja, natürlich.«
»Es sind ja gute Leute.«
Im Radio wurde von der Lewinsky-Affäre berichtet. Ich schwieg, und sie verschränkte die Hände. Als die Nachricht abgeschlossen war, öffnete sie sie wieder. »Sind wirklich merkwürdig, diese Amis. Meine Freundin hat ein Kind von einem auf der Basis bekommen, doch dann reiste er in die Staaten. Sie reiste ihm hinterher, und da stellte sich heraus, dass er dort drüben die ganze Zeit Frau und Kind gehabt hatte. Und der war auch noch streng gläubig.«
Wir sprachen noch eine Weile miteinander, und als ich aufstand und mich anschickte, zu bezahlen, fragte sie: »Wie ist denn das, wolltest du mir nicht den
Weg nach Hólmavík
zeigen?«
Also machten auch wir einen Deal. Sie bekam drei Bücher und ich den Fisch, die Übernachtung und das Frühstück am nächsten Morgen. Ich legte meine Sachen in dem gemütlichen Dachzimmer ab und machte dann einen Spaziergang.
Es herrschte eine knisternde Abendstille in Hólmavík, ein blauer Fernsehschimmer lag über dem Ort. In ein paar Küchen genehmigten sich Männer ein Gläschen, und dort, wo die Fenster offen standen, konnte man
Kanal 2
aus dem Radio hören. Ansonsten war Schweigen in den Straßen. In einem Auto bei der Kirche schmuste ein Paar. Gleich daneben knabberte eine Möwe an einem Fischkadaver. Und das Meer war spiegelglatt. Zwei Boote brachen aus dem Dunkel hervor und glitten in den Hafen. Vier Hafenarbeiter standen am Kai zum Anlanden bereit. Gleich als die Boote anlegten, wurden Krabbenbottiche an Land gehievt. In jedem Boot waren drei Männer, aber alle sechs schwiegen und arbeiteten schnell. Die Seeleute hatten einen tragischen Gesichtsausdruck. Müde, verbissen, als ob ihnen etwas widerfahren wäre. Grob geschnittene Gesichter mit starrem Blick. Ich stapfte zwischen den Booten umher und fragte mich, was Menschen dazu bringt, sich diese Tätigkeit zu wählen. Natürlich wird sie ausgezeichnet bezahlt, aber als ich die Männer arbeiten sah, schien es mir, etwas anderes treibe sie an als der Lohn allein. Sie befanden sich alle irgendwo jenseits der Arbeit und schufen sich einen Seelenfrieden mit ihren gleichförmigen Handgriffen.Als ob sie sich nach nichts mehr sehnten, als todmüde zu werden, um wie ein Stein schlafen zu können, wenn dies hier erledigt wäre. Und um die Ausdauer zu haben, auch am nächsten Tag die Welt wieder mit der Arbeit auszuschließen. Kurz danach bemerkte ich, dass der, der erst im Kiosk die Nachricht von der Geburt seines Enkelkindes erhalten hatte, einer der Hafenarbeiter war.
Als ich ins Gästehaus zurückkam, saßen zwei Männer im Speiseraum und unterhielten sich mit dem Mann der Hotelleiterin. Besser gesagt, sie schwiegen mit ihm. Bestimmt war die Vorrede schiefgegangen.
»Ach so. Meint ihr das«, sagte der Ehemann.
»Ja«, sagte der eine der beiden Männer.
Schweigen.
»Ja«, ergänzte der andere.
»Jaja«, antwortete der Ehemann.
Schweigen.
Dann stand der eine von den beiden Männern auf und sagte, dass er zu Bett ginge.
»Gut, es ist gut, das hin und wieder zu tun«, sagte der Hausherr. »Jaa ja.«
Der andere blieb sitzen und ließ noch ein paar Mal sein Ja hören. Es schien, dass er nicht gleich aufstehen mochte, so kurz nach dem anderen. Fand dann aber einen Weg, um an dem trägen Hausherrn vorbeizukommen. »Sag mal, dürfte man sich eventuell ein Buch mit aufs Zimmer nehmen aus dieser feinen Bibliothek.«
»Na selbstverständlich, kannst dir alles mit hoch nehmen«, antwortete der Hausherr. »Bücher sind reichlich da.«
Der Mann ging zur Bibliothek der Familie und wählte lange. »Nicht leicht, sich zu entscheiden für etwas aus diesem … erlesenen Angebot.«
»Ja, das ist eine ansehnliche Büchersammlung«, sagte der Hausherr. »Und da ist auch noch etwas leichtere … Kost, dort im untersten Regal.«
Der Mann nahm sich viel Zeit, um auch die leichtere Kost zu prüfen.
»Du kannst auch zwei mitnehmen. Es ist besser, zwei zu nehmen. Wenn dir das eine nicht gefällt, kannst du mit dem anderen beginnen«, sagte der Hausherr.
»Vielleicht nehme ich wirklich einfach zwei mit hoch.«
»Und
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