Liebe Isländer: Roman (German Edition)
Wasser?«
»Uh, unglaublich kalt.«
Sie lächelte. »Und unglaublich sauber. In der Fischfabrik müssen sie im Tiefkühlhaus nicht einmal Chlor benutzen.«
»Wow.«
»Sie glauben, dass es altes Grundwasser ist. Es ist so klar. Und eiskalt, wenn man den Hahn aufdreht«, fügte sie hinzu und ging in die Küche.
Der Mann erhob sich, zog einen Anorak an und ging hinaus. Die Wirtin erschien kurze Zeit später mit Kaffee für uns beide und setzte sich zwei Tische weiter. Zwischen uns war eine angemessen unpersönliche Entfernung. Nicht zu groß, so dass wir uns noch unterhalten könnten, und nicht zu klein, so dass ein Schweigen beklemmen würde. Die kleinen Details.
»Was machst du hier in Hólmavík?«
»Ich reise im Land umher. Bin auf dem Weg nach Ísafjörður.«
Sie sah mich verwundert an. »Ach. Wolltest du denn nicht die Fagranes nehmen?«
»Fagranes?«
»Die Fähre.«
Mein Herz hüpfte vor Freude. Hatte die Person eben gesagt, dassich nicht durch das Ísafjarðardjúp fahren müsste? Diese zweihundert Kilometer an Fjorden, die auf der Karte so furchteinflößend aussahen.
»Fährt von hier ein Schiff nach Ísafjörður?«
»Nicht von hier. Es fährt von Arngerðareyri auf der anderen Seite des Steingrímsfjarðarheiði und von dort nach Ísafjörður«, antwortete die Frau.
»Und wann?«
Sie sah auf die Uhr an der Wand. »Genau in diesem Augenblick. Das Schiff macht zwei Fahrten am Tag. Das ist die zweite.«
»Ich hab einfach nichts von dieser Fähre gewusst. Aber ich wollte erst morgen nach Ísafjörður. So gesehen macht es nichts.«
Sie sah mich forschend an. »Morgen fährt sie aber nicht, und auch nicht am Sonntag. Nur an Wochentagen.« Sie schien gesehen zu haben, wie enttäuscht ich war, da sie schnell hinzufügte: »Na, es könnte schön für dich sein, das Djúp zu sehen.«
»Oh.«
Das Wort »Vorrede« wird vor allem in der Bedeutung »Einleitung« oder »Vorwort« zu einem Buch gebraucht, aber ich finde, dass es sich besser eignet, um jene konventionellen Räusperungen, Jajas und Wetterbetrachtungen zu beschreiben, die wir Isländer gebrauchen, um uns beim ersten Kennenlernen gegenseitig abzutasten. Die Vorrede ist auch insofern bedeutend, als dass sie die Grundlage zum Gespräch selbst bildet, das danach folgt, und niemand würde einem zweifelhaften Vorredner trauen. Unsere Vorrede jedenfalls, die von uns beiden Haushaltsvorständen, glückte ausgezeichnet. Sie erzählte mir, dass sie aus der Stadt war, aber vor siebzehn Jahren nach Hólmavík gezogen sei, und dass es ihr gut gefiele. Das Hotel liefe ausgezeichnet, und es gäbe immer ein bisschen was zu tun über den Winter. Am nächsten Tag würde sie für hundert Leute Essen zum Þorrablót machen. Ich erzählte, dass ich Bücher zum Verkauf dabeihätte, und fragte, ob sie
Der Weg nach Hólmavík
gelesen habe.
»Nein. Ich glaube, in dem Buch kommt Hólmavík gar nicht vor. Das ist nur dieser eine Satz.«
Und dann begann das eigentliche Gespräch.
Sie erzählte mir, dass der Musiker und Buchhändler Herbert Guðmundsson vor einigen Jahren im Hotel übernachtet habe. »Er redete so viel, dass es unmöglich war, nichts von ihm zu kaufen. Ein überaus sympathischer Mensch. Im Grunde habe ich mit ihm einen Deal gemacht. Er bekam Kost und Logis. Ich die Bücher.« Sie hielt einen Moment inne, goss Kaffee nach und setzte fort: »Ansonsten war es ziemlich lustig, dass gleichzeitig Leute vom Kreuz hier übernachtet haben, als Herbert hier war. Man hörte nichts von Herbert, wenn er oben auf dem Zimmer war, er ist ja Buddhist. Aber den einen Abend ging es oben völlig verrückt zu. Alles zitterte und bebte heftig, und ich wusste nicht, was da eigentlich los war. Ich lief natürlich nach oben, da waren die Kreuzleute am Rufen und Stampfen und erklärten mir, dass sie gerade den Namen des Herrn hochleben ließen.«
Während der Unterhaltung saß die Hotelleiterin mit den Händen im Schoß verschränkt, aber wenn sie etwas sagte, dann öffnete sie sie und entließ die Worte wie Schmetterlinge in die Luft. Verschränkte sie dann wieder, wenn sie schwieg. Jetzt öffnete sie die Hände: »Manche von denen sind natürlich völlig kaputt. Und das kommt meistens vom Dope. Ist ja völlig in Ordnung, wenn es funktioniert. Dieser Weg ist auch nicht schlimmer als mancher andere. Aber es war fast unmöglich, sie hier zu haben, weil sie so viel rauchten.« Sie schwieg einen Augenblick und sah auf die Zigarette, die ich in der Hand hielt. »Nicht so wie
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