Liebe Isländer: Roman (German Edition)
Augen einer Expertin auf diesem Gebiet. Die andere Frau steht verwundert am Tresen, schaut uns abwechselnd an und sieht dabei immer gespannter aus. Bin ich ein Mann? Der siegesgewisse Ausdruck in den Augen der Verkäuferin geht mir auf die Nerven. Sie ist sich völlig im Klaren darüber, wie ich leide. Ich muss nicht nur um Entschuldigung bitten, sondern muss es vor den Augen ihrer Freundin tun, die die Geschichte im ganzen Ort verbreiten wird. Am Ende wird sie im Lokalblatt erscheinen unter der Überschrift: »Gulla vom Kiosk lässt sich nicht unterkriegen! – Eine Geschichte aus dem wahren Leben.« Sie wird zur Heldin. Jetzt! Bin ich ein Mann? Ich versuche mich davon zu überzeugen, dass ich es für mich tue und nicht für die Verkäuferin, und sage: »Ich bin gekommen, um mich zu entschuldigen.«
In der Eismaschine klackt etwas, und während das Brummen darin anschwillt, entspannt sich das verbissene Gesicht der Frau hinterm Tresen. »Ach. Nun, na dann.« Sie legt den Lappen weg und setzt aufgeräumter fort: »Ja, da warst du ganz schön bockbeinig gestern. Es ist gar nicht nötig, so bockbeinig zu sein. Es gibt einfach Regeln.«
Bockbeinig? Erinnert mich an einen Schafsbock. Zweifellos, weil sie es so ausspricht. Ich versuche zu lächeln: »Ich bin wohl gestern mit dem falschen Bein aufgestanden.«
»So wird es wohl gewesen sein«, antwortet sie irgendwie halb verständnisvoll und halb triumphierend. »Aber warum denn eigentlich? Vielleicht hätte ich ja eine Ausnahme gemacht, wenn ich gewusst hätte, dass du so dringend eine rauchen wolltest.« Sie lacht und sieht zur Freundin, die immer noch gespannt, aber nicht ganz im Bilde ist: »Er war total sauer auf mich, weil ich ihm das Rauchen verboten habe.«
Die Freundin ist sehr erleichtert, als ihr Wissensdurst endlich gestillt ist: »Ja, ach so. Jaja, völlig überflüssig, deshalb bockig zu sein.«
Ich versuche, auch sie anzulächeln. »Jedenfalls, ich wollte nur …« Doch die Verkäuferin will offenbar den Moment noch etwas länger auskosten und fällt mir ins Wort: »Aber ich muss schon sagen, dass es nett von dir ist, herzukommen und um Entschuldigung zu bitten. Das hätte wirklich nicht jeder gemacht.«
»Nein, auf keinen Fall, das ist sicher«, ergänzt die Freundin.
Dann beginnt ein unglaublich oberflächliches Gespräch über das Woher und Wohin meiner Reise. Um mich noch dazubehalten, zeigen sie großes Interesse an meiner Reise, und die Verkäuferin achtet darauf, nie den Kelch loszulassen, indem sie ab und zu einwirft: »Nein, das hätte wirklich nicht jeder gemacht, um Entschuldigung gebeten.« Es kommt beinah überraschend, dass sie mich nicht bittet, mir ein Stück Schokolade aus dem Regal auszuwählen, um das Ganze stilvoll zum Abschluss zu bringen. Mir gelingt es schließlich, durch das Gespräch zu kommen, ohne mich namentlich vorzustellen, mich von beiden zu verabschieden und schnell hinauszugehen.
Am Abend sitzen wir, Hemmi, sein ältester Sohn Benni und ich, zusammen in der Stube und sehen die Wettervorhersage. Heute Nacht soll es Sturm geben und anfangen zu schneien. An den kommenden Tagen soll sich das Wetter nicht ändern, und ich sehe, dass Hemmi nervös wird. »Da könnte einiges runterkommen. Es kann hier ganz fürchterliches Wetter geben.« Er erläutert dann weiter, dass sich bei Wind aus bestimmten Richtungen sogenanntes »Krubbswetter« bilden kann. Dann peitscht der Wind auf den Berg Krubbi, gleich außerhalb der Ortschaft, und verstärkt sich dort. »Und dann wird es hier so stürmisch, Junge, dass man lieber oben auf den Bettdecken schläft, damit sie nicht wegwehen.«
Ich lache und sage, dass er übertreibe.
»Übertreibung! Das ist die volle Wahrheit, Junge! Einmal habe ich vier Stunden von der Ortsmitte bis hierher nach Hause gebraucht.Der Gegenwind war grauenvoll. Normalerweise sind das fünf Minuten Fahrt.« Er blickt zu Benni, der die Augenbrauen hochzieht. »Erinnerst du dich nicht?« Hemmi schaut wieder zu mir: »In den stärksten Windstößen musste ich die Bremse bis zum Anschlag durchtreten, Junge, damit das Auto nicht rückwärts flog. Als ich endlich zu Hause angekommen und gerade aus dem Auto gestiegen war, flog ich gegen eine Hauswand und musste da oben zwei Stunden lang gegen die Wand gepresst herumhängen, Junge. Zwei Stunden, Junge.«
Ich muss schallend lachen, und Hemmi sucht erneut Unterstützung von Benni zu bekommen: »Kann es wirklich sein, dass du dich nicht erinnerst, Benni?«
Aber der
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