Liebe ist ein Kleid aus Feuer
ihren gewalkten Umhang festhalten, damit er nicht fortflog. In der anderen trug sie den Korb mit Eiern und Speck, in dem sich auch Celias getrocknete Kräuterbündel und ein paar Leinenreste befanden. Die Infirmarin hatte sie angewiesen, den Aufguss aus Augentrost frisch zuzubereiten; dazu brauchte sie noch das Heilwasser aus der Stiftsquelle.
Sie ließ den Eimer in die Tiefe, als etwas Glänzendes am Brunnenrand ihre Aufmerksamkeit erregte. Eila wusste, was es war, noch bevor sie es in der Hand hielt.
Roses Lunula! Die Freundin musste das Amulett beim Wasserholen verloren haben.
Schon wollte Eila den kleinen Silbermond einstecken, da fiel ihr auf, dass sein Lederband zerrissen war. Sie untersuchte die Stelle genauer. Es sah nicht nach bloßer Abnutzung aus. Jemand hatte sich gewaltsam davon befreien wollen, es jedoch offensichtlich nicht über sich gebracht, die Sichel in den Brunnen zu stoßen.
Eila hob den Kopf und schaute nach Osten.
Die Wolken hingen zu tief, als dass man die Sonne hätte sehen können, aber sie war trotzdem da. Genauso würde sie es mit Roses Amulett halten, es für sie aufbewahren, um es ihr eines Tages wieder auszuhändigen.
Sie holte Blasi aus dem Stall, sattelte ihn und ritt los.
Schon bald waren ihre Hände so eisig, dass es ihr schwer fiel, die Zügel zu halten. Zudem wäre der alte Wallach heute offenbar lieber im Stall geblieben. Er trödelte, wollte nicht gehorchen und verfiel immer wieder in einen schleppenden Trab, der sie halb zur Verzweiflung brachte. Schließlich blieb er bockig stehen und rührte sich nicht mehr von der Stelle.
Zum Glück hatte sie den Weiler da schon fast erreicht und konnte absteigen. Blasi ließ sich am Halfter führen, und sie legte das letzte Stück zu Fuß zurück. Aus der Kate lief ihr Trinchen entgegen und bestand darauf, den Korb ins Innere zu schleppen, wo die schwangere Mutter und der kleine Bruder schon warteten.
Eila erhitzte das Wasser aus dem Klosterbrunnen in einem Topf, krümelte etwas von dem getrockneten Augentrost in eine irdene Schüssel und überbrühte das Kraut.
»Eine Weile ziehen lassen«, erklärte sie der Mutter, »dann abseihen und warten, bis der Sud nur noch lauwarm ist. Dann tauchst du einen sauberen Stofffetzen hinein und legst ihn Trinchen auf die Augen. Am besten ist es, wenn sie dabei auf dem Bett liegen bleibt.«
Die Kleine lag ganz still, damit nur nichts verrutschte.
»Hast du genau zugesehen?« Das war an die Schwangere gerichtet, die eifrig nickte. »Gut. Dann kannst du es ab morgen jeden Tag mindestens zweimal so machen, so lange, bis Trinchens Augen wieder klar sind.«
»Heißt das, du wirst nicht mehr zu uns kommen?« Die Kleine riss sich den Umschlag von den Augen, richtete sich auf und fasste nach Eilas Hand. »Aber du musst! Ich warte doch auf dich.«
»Mal sehen«, sagte Eila unbestimmt und hatte es plötzlich eilig, nach draußen zu gelangen. »Bin jedenfalls schon mal froh, dass die Medizin jetzt bei euch ist.«
Der Himmel hatte sich weiter verfinstert; Sturmwind trieb dunkle Wolkenfetzen rasend schnell vor sich her. Dann setzte Graupelregen ein, stechend und hart. Binnen kurzem war die Sicht so schlecht geworden, dass Eila sich nur noch nach dem Gefühl orientieren konnte. Vergebens hielt sie nach einem Unterschlupf Ausschau.
Blasi kämpfte sich voran, viel zu langsam für Eilas Ungeduld. Sie wollte ins Trockene, wollte so schnell wie möglich den gewalkten Umhang loswerden, der sich immer mehr mit Nässe voll sog.
Wütend stieß sie dem Gaul in die Flanken. »Wenn du nicht endlich voranmachst, kommst du doch noch in die Suppe!«, schrie sie. »Sei dir nur nicht zu sicher, du verstockter alter Trottel!«
Doch gegen den Sturm kam sie nicht an.
Der Wallach wieherte auf und machte ein paar schnellere Schritte. Plötzlich hörte Eila ein schreckliches Knacken. Blasi stolperte, knickte um, ging zu Boden. In hohem Bogen flog sie aus dem Sattel und schlug hart auf dem Untergrund auf.
Eila lag auf dem Waldboden wie tot.
»Sie hat stark geblutet. An der Schläfe, da, über dem Auge. Ihr Umhang ist ganz klebrig und rot.«
»Aber sie lebt. Ich kann fühlen, wie ihr Herz schlägt.«
»Und wieso macht sie dann nicht endlich die Augen auf?«
Wie aus weiter Ferne kamen Stimmen zu ihr, gedämpft, als müssten sie durch meterdicke Filzschichten dringen.
»Sie hat nun mal ihren ganz eigenen Kopf«, hörte sie jemanden sagen, und diese Männerstimme kam ihr überraschend bekannt vor. »Und der ist so dick,
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