Liebe ist ein Kleid aus Feuer
kopiert habe, sind in mich hineingeflossen, und ich habe sie aufgesaugt wie süßen Honig. Glaubst du, sie könnten meine eigenen Worte vielleicht vertrieben haben, weil sie so viel stärker sind, so viel weiser, um vieles heiliger?«
Sie redete weiter, bevor Eila etwas entgegnen konnte. »Und wenn es wirklich so wäre, ist es dann nicht vielleicht genau das, was geschehen musste ?«
»Was soll das schon wieder heißen?«
»Dass ich gar nicht würdig bin, Geschichten zu erzählen, angesichts der wunderbaren Sagen und Legenden, die bereits andere, weitaus Würdigere vor mir niedergeschrieben haben. Ich bin doch nur ein dummes Mädchen. Vielleicht ist das der wahre, der eigentliche Grund.«
»Ich weiß nicht«, sagte Eila nach einer Weile. »Das klingt in meinen Ohren alles schrecklich kompliziert. Außerdem bist du alles andere als dumm. Ich kenne niemanden, der so rasch auffasst wie du, keinen, der klarer denken kann. Du bist für mich das klügste Mädchen, das ich kenne. Und wenn du schon unbedingt schreiben willst, Rose, und es dich so glücklich macht, warum tust du es dann nicht einfach – genauso wie früher?«
Der schmale Rücken vor Eila versteifte sich. Hatte sie etwas Falsches gesagt? Und war da draußen nicht ein Geräusch, das sie vorher nicht vernommen hatte?
Schritte? Hüsteln?
Eila lauschte in die Dunkelheit, doch jetzt war alles wieder still. Vermutlich nur ein paar hungrige Mäuse, dachte sie. Viel finden werden sie allerdings nicht bei dem Geiz, mit dem die Küchenmeisterin auf ihren Vorräten hockt.
»Ich sollte demütig sein«, sagte Rose schließlich. »Aber das ist so schwer! Dabei ist Demut nicht Schwäche, sondern die Stärke, sich zurückzunehmen und die eigenen Grenzen zu erkennen.«
»Wer hat das behauptet? Bihilit?«
»Der heilige Benedikt. Und der sagt auch, eine der Wurzeln des Bösen sei der Eigenwille. Starrsinn und Bockigkeit kennzeichnen ihn. Was soll ich nur tun, um ihn loszuwerden, Eila?«
»Nichts.«
»Nichts?«
»Nichts! Ich finde nämlich, du sollst genau so bleiben, wie du bist, denn so hat der liebe Gott dich nun mal gemacht.« Eila strengte sich nicht länger an, die Stimme zu senken. Jetzt war es ihr egal, ob jemand sie hören konnte. »Hier sorgen alle dafür, dass du ganz krank im Kopf wirst, mit ihren ständigen Ge- und Verboten, merkst du das eigentlich nicht?«
»Aber wir leben doch im Stift nach der heiligen Ordnung …«
»Was soll denn heilig daran sein, sich hinter dicke Mauern sperren zu lassen und abzuwarten, dass die Zeit vergeht? Im Grunde sind wir hier doch nichts anderes als bessere Gefangene. Mein Vater jedenfalls hat mich nicht gefragt, ob ich hierher wollte. Und ich wollte nicht hierher, das weißt du besser als jeder andere – ich musste !« Eila hatte sich halb aufgesetzt, so sehr hatte sie sich in Rage geredet. »Manchmal hätte ich die allergrößte Lust, ihm zu beweisen, dass Eigenwille durchaus zu etwas taugen kann. Wenn ich erst einmal fort bin, dann wird er vielleicht verstehen, dass ich …«
»Du willst weglaufen?« Jetzt war auch Rose hochgefahren. »Deshalb?« Sie berührte Eilas Eisenring. »Du willst zu ihm – zu Lando? Du liebst ihn noch immer?«
»Das ist längst vorbei«, sagte Eila mit abgewandtem Gesicht. »Sonst hätte er doch nach mir gesucht, oder etwa nicht? Lass uns nicht weiter darüber reden!«
»Vergiss nicht, es ist Winter und dunkel und kalt!«
»Es wird auch wieder warm und hell werden. Ob ich es allerdings so lange hier aushalte, kann ich dir nicht versprechen.«
»Aber du musst es, Eila! Du darfst nicht weglaufen! Jetzt nicht und auch nicht später.«
»Wer sagt das? Bihilit?«
»Nein, ich. Du darfst nicht gehen! Ohne dich bin ich doch wieder ganz allein.«
Rose klang so mutlos und verloren, dass Eila die Arme um sie schlang und sie fest an sich drückte.
»Und ich dachte schon, deine Schreibfedern, Pergamente und Tinten wären dir inzwischen sehr viel wichtiger als ich«, sagte sie. Rose schüttelte heftig den Kopf und presste sich so fest an sie, als wolle sie sie nie mehr loslassen. »Ich kann nicht hier bleiben, auf Dauer, und das weißt du.«
»Aber wenn du …«
»Nichts kann uns beide jemals trennen, was auch passiert«, versicherte Eila. »Nichts und niemand! Das vergisst du niemals, hörst du? Ich werde immer deine Freundin sein.«
Die Tür ging auf. Die beiden Mädchen erstarrten.
Mit ihrer Fackel leuchtete Bihilit in den Raum, neben sich Almut, die fahrig und aufgelöst wirkte.
»Ich
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