Liebe ist ein Kleid aus Feuer
der Grund, so ist die Sache einfach: Der Falkner braucht das Tier nur freundlicher zu behandeln oder häufiger zu tragen, und der Vogel wird zu ihm zurückkehren.«
»Ich bin kein Habicht, wenn du das meinst«, sagte sie heftig.
Seine Hand berührte kurz die Falknertasche.
»Vermisst du sie nicht?«, fragte er, »deine Siv – und das Leben, das du früher geführt hast?«
»Wir sind da«, sagte Eila abrupt. »Wir müssen absteigen.«
Zu ihrer Überraschung wartete er geduldig, bis sie sämtliche Notleidenden besucht hatte, die ihrer Hilfe bedurften: den Mann, der Weißdornblüten brauchte, weil es ihm in der Brust zu eng geworden war; die Frau, die Alant in Wein aufgelöst bekam, damit sich der böse Husten endlich löste; den Alten, der schon auf seine Wacholdertinktur wartete, um die Gelenkschmerzen besser ertragen zu können.
Aus der letzten Kate lief ihnen Trinchen entgegen.
»Ich kann wieder alles sehen«, rief sie aufgeregt. »Und meine Augen muss ich nicht mehr reiben. Was für ein schönes Pferd! Viel schöner als das andere! Darf ich es mal anfassen?«
»Wenn du willst«, sagte Sigmar. Eila war nach drinnen gegangen, um nach der Schwangeren zu schauen.
»Wie heißt es denn?«
»Naska. Sie ist eine Stute.«
»Und wie heißt du?« Die Kleine legte den Kopf in den Nacken und schaute zu Sigmar hinauf. »Wer bist du? Ihr Mann vielleicht?«
»Da musst du sie schon selber fragen«, sagte er.
Später, auf dem Heimweg, waren Eila und Sigmar eine ganze Weile still. Es hatte fein zu schneien begonnen, winzige weiße Flocken, die sich wie Spitzen auf die Landschaft legten und alles verzauberten.
»Heirate mich!«, sagte Sigmar plötzlich.
»Hast du jetzt völlig den Verstand verloren?« Eilas Kopf flog zu ihm herum.
»Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Heirate mich, Eila! Jeder Ritter sollte eine Frau haben.«
»Aber ich liebe dich doch gar nicht!«
Er brachte Naska zum Stehen und stieg ab. Dann hob er Eila herunter, umarmte sie und begann sie zu küssen. Schnee und Kälte verschwanden, die kahlen Bäume, die abgeernteten Felder.
»Bist du taub?«, flüsterte sie, als sie wieder zu Atem gekommen war. »Ich liebe …«
Erneut legte sich sein Mund auf ihre Lippen. Er schmeckte süß und scharf zugleich, und die Leidenschaft, die Eila hinter diesem Kuss spürte, ließ etwas in ihr weich und erwartungsvoll werden.
Plötzlich ließ er sie los. Die Kälte kam zurück, beißender als zuvor. Eila begann zu zittern.
»Denk wenigstens darüber nach!«, sagte Sigmar. »Versprichst du mir das? Versprich mir das!«
Sie nickte.
»Das ist gut.« Er klang zuversichtlich. »An Weihnachten hole ich mir deine Antwort.«
»Wieso an Weihnachten?«, fragte Eila verwirrt.
»Hab ich vergessen, dir das zu sagen? Du wirst Weihnachten mit dem königlichen Hof verbringen. In Pöhlde.«
Sechs
WEIHNACHTEN 950 KÖNIGSPFALZ ZU PÖHLDE
D as Wasser im großen Holzzuber war heiß und duftete nach einer leicht bitteren Essenz. Zwischen ihren winterblassen Armen und Beinen, auf denen die rostigen Sprenkel noch dunkler wirkten als sonst, sah Eila winzige Blüten schwimmen. Ob das der Lavendel des Südens war, von dem Celia immer so schwärmte? Sie ließ sich tiefer hineingleiten, schloss die Augen. Auf der Stirn hatten sich Schweißperlchen gebildet; ihr ganzer Körper war durchglüht. Allein die Vorstellung, nach diesem Genuss jemals wieder mit bloßen Füßen auf den eisigen Lehmboden treten zu müssen, erschien ihr grauenvoll.
»Fühlst du dich da drüben auch so gut?«, rief sie zu Rose hinüber. »Ich könnte den Rest meines Lebens hier verbringen!«
Nur ein paar straff gezogene Leinentücher trennten die Freundinnen. Keine hätte etwas dagegen gehabt, zusammen mit der anderen in einen Trog zu steigen, wie sie es auch früher immer getan hatten, doch der Blick der Magd, die noch älter und grimmiger war als Malin, hatte sie daran gehindert.
»Bist du schon sehr aufgeregt?«, fragte Rose.
»Nein. Du?«, gab Eila zurück.
»Wieso ich? Du bist es doch, die ihm heute Rede und Antwort stehen muss.«
Eine Weile verstummten beide.
Hätte Rose nur nicht wieder damit angefangen, nicht ausgerechnet in diesem Augenblick, wo sie gerade dabei war, sich zu entspannen! Vielleicht hätte Eila ihr doch besser nichts von Sigmar und seinem Antrag erzählt, zumindest so lange, bis sie selber endgültig eine Entscheidung getroffen hatte. Doch der Mund war ihr einfach übergelaufen, weil das Herz zu voll gewesen war; sie hatte es
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