Liebe ist ein Kleid aus Feuer
holen«, sagte sie, als sie vor Algin stand. »Endlich!«
»Nicht der Graf?«
»Nein, der nicht, der König!«
»Wo der König ist, war bislang auch immer Graf Raymond«, sagte Algin.
»Was kümmert uns das? Vielleicht ist jetzt alles ganz anders. Der König meint es jedenfalls ernst. Er hat einen Boten geschickt, ein Pferd und einen soliden Karren für dein Werkzeug.« Ihr Blick flog über die Zangen, Zeugnisse seiner mühevollen Arbeit. »Kannst gleich den Jungen rufen. Der soll dir beim Einräumen helfen, damit du dir nicht wieder den Rücken verhebst. Ich werde mich inzwischen um unsere Sachen kümmern.«
»Was soll das heißen?«
Sie kam langsam auf ihn zu, bis sie ganz nah vor ihm stand. Er hatte ihr Gesicht schon unzählige Male angeschaut, so oft, dass ihm die Male des Antoniusfeuers ebenso vertraut waren wie ihre dunklen Wimpern oder der Schwung ihrer Lippen. Heute aber schienen die Narben eine Art Eigenleben zu führen, leuchteten stärker als sonst, wie eine stumme Beschwörung.
»Was das heißen soll?«, sagte Gunna. »Dass wir dich natürlich begleiten werden, Lenya und ich. Was sonst?«
»Wenn der König mich rufen lässt, braucht er mich für den Krieg. Und im Krieg haben Frauen und Kinder nichts verloren.«
»Wenn der König dich rufen lässt, so deswegen, weil es keinen besseren Schmied in seinem ganzen Reich gibt«, sagte Gunna. »Das hat er spätestens erkannt, als er bei uns war und du sein Schwert geflickt hast. Und der beste Schmied weit und breit hat nun einmal Frau und Kinder. Eines davon hat der Graf uns gestohlen, aber wir werden uns den Sohn schon wieder holen. Das andere steht hier vor dir.«
Sie gab Lenya einen sanften Schubs, die sich sofort lachend an Algins Schürze klammerte.
»Da siehst du, wie sie an dir hängt! Glaubst du allen Ernstes, deine Tochter und ich würden ohne dich hierbleiben, nach allem, was geschehen ist?«
»Nein.« Algins Mund wurde weich. »Das glaube ich nicht.«
Es dauerte nicht allzu lange, dann war die Schmiede ausgeräumt und die gesamte Habe auf dem Ochsenkarren verstaut. Fiebrige Unruhe hatte die ganze Burg ergriffen; keinen hielt es mehr bei der Arbeit. Alle standen herum, redeten und rätselten und konnten nicht fassen, dass Algin und seine Familie sie noch heute verlassen würden.
»Der Herr wird sehr zornig sein«, sagte Malin, »mehr als zornig, das ist schon mal so gewiss wie die Feuer der Johannisnacht, wenn er zurückkommt und feststellen muss, dass er keinen Schmied mehr hat. Wie kann der König so etwas nur tun? Wo der Graf doch all die Jahre seine Knochen für ihn hingehalten hat?«
Der Hüne warf ihr einen so kalten Blick zu, dass sie verstummte und ihren Unmut daraufhin lieber in der Sicherheit der Küche von sich gab.
»Wohin geht es eigentlich?«, fragte Gunna den Hünen. »Früher einmal war Tilleda lange Jahre unsere Heimat. Aber ich hab gehört, dass es noch viel größere und schönere Königspfalzen geben soll.«
»Dein Weib fragt zu viel«, sagte der Hüne zu Algin. »Sag ihr das! Bist du dann so weit? Wir sollten aufbrechen.«
Am schwersten fiel es Algin, sich von seinem zweiten Amboss zu trennen, der zu massig für den Transport war.
»Der König wird dir einen neuen zur Verfügung stellen«, versuchte Gunna ihn zu trösten.
»Was versteht ein König schon davon? Man muss Jahre mit einem Amboss arbeiten, um seine Seele ganz zu verstehen.«
»Genau deswegen lässt er dich holen.« Sie lächelte verschmitzt. »Er ist ein kluger Herrscher und ein gütiger dazu. Das habe ich an seinen Augen gesehen.«
Als sich das Burgtor hinter ihnen schloss, wandte Gunna sich noch einmal um. Sie war froh, dass Algin und der Hüne vorausritten. Hier auf dem Ochsenkarren inmitten ihrer Habseligkeiten und seines Schmiedewerkzeugs, fühlte sie sich mit Lenya sicher. Es waren nicht nur schlechte Zeiten auf Burg Scharzfels gewesen, vor allem nicht am Anfang, als sie Raymond noch vertrauen konnte und die beiden Mädchen klein gewesen waren. Die verträumte Rose mit ihren lateinischen Verben und die wilde Eila, die am liebsten den ganzen Tag ritt und jagte.
Bei dem Gedanken an Eila schoss etwas Scharfes in ihr Herz. In letzter Zeit kam ihr die Grafentochter immer wieder in den Sinn. Sie hatte sie in die Höhle gebracht und ihr mithilfe des Zauberkrauts, mit dem sie das Bier versetzt hatte, dunkle Träume geschickt.
Wo war Lando? Lebte er noch? Ging es ihm gut?
Eila hatte ihn damals gesehen, das wusste Gunna. Doch was war danach
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