Liebe ist ein Kleid aus Feuer
wären robuster und stärker, aber auch um vieles langsamer gewesen; deshalb hatte man sich für diese kostspielige Lösung entschieden.
»Solange ich atmen kann, kann ich auch reiten. Die Menschen diesseits und jenseits der Alpen sollen sehen, dass sie eine starke, gesunde Herrscherin bekommen!«
Ihre Tapferkeit spornte den Mut der anderen noch mehr an. Siegesstimmung lag in der Luft, obwohl die Männer um Liudolf bislang noch keinen Grund zum Triumph hatten. Anfangs war es vor allem darum gegangen, sehr schnell vorwärts zu kommen, weil sie damit rechnen mussten, dass König Otto ihr Vorhaben vor der Zeit durchschauen und ihnen seine bewehrten Ritter nachschicken würde. Doch als nichts dergleichen geschah, begannen sie die Geschwindigkeit zu vermindern. Jetzt ließen sie sich genügend Zeit, die Pfalzen, die an ihrem Weg lagen, von ihrem Nahen zu benachrichtigen, anstatt wie ein Schwarm hungriger Heuschrecken über sie herzufallen und alle Bewohner in Angst und Schrecken zu versetzen.
Das ganze Reich stand in üppigem Frühsommerkleid und schien seine Kammern und Scheunen nur für sie geöffnet zu haben. Eila liebte dieses Leben aus dem Moment heraus, das so schnell war, so abwechslungsreich, so abenteuerlich. Jeder Tag war anders; jeder brachte neue Landschaften, neue Gerüche, neue Herausforderungen. Zu ihrem Erstaunen musste sie feststellen, dass die Menschen überall unterschiedlich sprachen, obwohl sie die Grenzen von Ottos riesigem Reich noch lange nicht verlassen hatten; manche redeten so seltsam, dass sie sie kaum verstehen konnte. Aber was spielte das schon für eine Rolle? Wenn man nur hartnäckig genug blieb, konnte man sich fast immer verständigen. In ihren Augen hätte jede Rast nur ein paar Stunden zu dauern brauchen, gerade so lang, um die Pferde zu versorgen und selbst wieder zu Kräften zu kommen. Sie konnte es kaum erwarten, erneut aufzusitzen und weiterzureiten.
Ganz begriffen hatte sie allerdings noch nicht, warum sie und ihr Vater sich plötzlich auf der Seite Liudolfs befanden, wo doch Otto der König war, dem Raymond sein Leben lang gedient hatte. Ida mochte sie aus gutem Grund dazu nicht befragen, und als sie es während einer längeren Pause vor Ulm bei ihrem Vater versuchte, erteilte er ihr eine so schroffe Abfuhr, dass sie es schnell wieder aufgab.
»Wer zu viel redet, ist ein Narr. Nur wer seine Lippen zügeln kann, ist klug.« Er sah so einsam und unglücklich dabei aus, dass sie am liebsten die Arme um ihn geschlungen hätte, aber das war natürlich unmöglich. Sie war schon froh, dass er sie jetzt wieder öfter ansah und nichts dagegen zu haben schien, wenn sie ab und zu das Wort an ihn richtete, vorsichtig, um ja nichts Falsches zu sagen. »Doch manchmal macht auch der Klügste einen Fehler«, fuhr er fort. »Dann muss er bitter dafür büßen. Du siehst hier einen vor dir, Eila, der dies am eigenen Leib erfahren hat.«
Was meinte er damit? Erwartete er eine Frage als Antwort? Eila blieb neben ihm stehen, mit gesenktem Kopf, und wartete, ob noch mehr Rätselhaftes kommen würde, doch er blieb stumm.
Irgendwann ging Raymond weg, hielt jedoch noch einmal inne, drehte sich um und machte in ihre Richtung eine unbestimmte Geste, die sie nicht mehr vergessen sollte.
»Der König? Der König ist alt und schwach«, sagte Sigmar, als sie schließlich ihn darauf ansprach. Es war an einem Abend kurz vor Augsburg, als die Feuer schon niedergebrannt waren. »Otto hat viele Kriege gewonnen, viele Feinde geschlagen, doch jetzt ist die Zeit der Jungen angebrochen.« Sigmars Gesicht schien von innen zu glühen, so überzeugt war er. »Für mich gibt es keine Frage: Herzog Liudolf ist der König, dem ich dienen möchte.«
Eila schwieg, stocherte mit einem Zweig in der Glut. Je länger sie unterwegs waren, umso wohler fühlte sie sich in Sigmars Nähe. Die alten Spannungen waren verflogen, alles Peinliche, Ungesagte zwischen ihnen wie ausgeräumt. Hier mussten sie nicht als Verlobte auftreten, die man ständig nach der Hochzeit fragte; hier waren sie beinahe so etwas wie Waffenbrüder, Teile eines großen Ganzen, das unaufhaltsam voranstrebte.
»Inzwischen finde ich es gut, dass wir mit dem Heiraten noch gewartet haben«, sagte Sigmar. »Das wollte ich dir schon lange einmal sagen.«
Eila schaute überrascht auf. Konnte er etwa ihre Gedanken lesen?
»Weshalb?«, fragte sie.
»Dort in der Pfalz war alles so eng und bewacht. Überall nichts als Mauern und Zäune. Hast du nicht gespürt,
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