Liebe ist ein Kleid aus Feuer
auf.
»Ich bin doch noch ganz am Anfang, das solltest du wissen! Muss sicherlich noch tausendmal verbessern und korrigieren. Die Verse sind ganz ungelenk, viel zu holprig. Ich schäme mich, wenn du sie in diesem unfertigen Zustand zu Gesicht bekommst. Willst du wirklich schon …«
»Und ob ich will!«
Gerberga setzte sich wieder zu ihr auf den Boden und legte sich die Pergamente auf den Schoß, dann begann sie zu lesen. Nach einer Weile blickte sie auf. In ihren schönen Augen schwammen Tränen.
»Du schreibst über sie«, sagte sie. »Ihr hast du es also gewidmet. Ein Gesang in lateinischen Versen für die ewige Himmelsmutter, genauso, wie es in dem geheimen Evangelium beschrieben ist, von dem ich dir erzählt habe.« Sie räusperte sich, war auf einmal sehr aufgeregt. »Lass mich aus dem Stand eine Übersetzung versuchen, Rose!« Ihr Gesicht wurde auf einmal ernst, so sehr strengte sie sich an.
»Einzige Hoffnung der Welt, du ruhmreiche Herrin des Himmels, / Heilige Mutter des Herrn, leuchtender Stern des Meeres …«
»Nicht ganz«, unterbrach Rose sie. »Aber du hast beinahe Recht, mit allem, was du sagst. Ich versuche, über das Leben Mariä zu schreiben. Doch widmen werde ich meine unwürdigen Zeilen eines Tages zwei Freundinnen und Lehrerinnen, die mich durch ihre Worte und Taten zum Schreiben ermutigt haben: Riccardis und dir.«
OKTOBER 951
PADUA
Die Umstehenden erstarrten, als der Herzog langsam auf seinen Vater zukam. Otto, eben noch im Gespräch mit Pater Johannes, wandte sich ihm zu und hob, als er ihn erkannte, den linken Arm. Für einen Augenblick dachten alle, der rechte würde folgen und der König seinen ungehorsamen Sohn umarmen, doch diese Geste des Verzeihens fand nicht statt.
»Du kommst doch noch zu meiner Hochzeit, Liudolf?«, sagte Otto. Sein Arm war im Schein der Fackeln herabgesunken. »Ich freue mich – auch wenn du spät kommst.«
»Ich war vor dir da, Vater.« Eine knappe Verbeugung zu Adelheid, die einen Schritt hinter dem König stand. »Deine Braut wird dir davon berichtet haben.«
»Die Königin hat mir erzählt, was geschehen ist«, sagte Otto. »Besonders lobende Worte hat sie für die junge Eila gefunden, die so viel Mut bewiesen hat. Wir werden niemals vergessen, wer uns geholfen hat. Ebenso wenig, wer sich gegen uns gewendet hat.«
Jetzt wurde es so still, als wäre der Platz vor den Zelten plötzlich leer gefegt. Dabei waren eben noch Flöten- und Lautenweisen erklungen, während sich die zahlreichen Hochzeitsgäste unterhielten, scherzten und lachten.
»Wo ist die Herzogin?«, fuhr Otto fort.
»Ida ist leider nicht wohlauf«, sagte Liudolf. »Ein plötzlicher Schwächeanfall. Wir fanden es daher angebracht, dass sie im Zeltlager zu neuen Kräften kommt. Doch sie entbietet euch ihre Grüße und Wünsche. Sobald sie sich wieder besser fühlt, wird sie …«
»Musik!«, befahl Otto. »Spielt auf, Musikanten! Das hier ist ein königliches Hochzeitsfest – kein Leichenschmaus.«
Erneut klangen die Instrumente durch die Nacht, die lau war und mild und die trotzdem bereits eine Ahnung des kommenden Winters in sich barg. Abend für Abend ging die Sonne jetzt etwas früher unter; nicht mehr lange und auch hier würden die herbstlichen Regenfälle rauschen, die bunten Blätter von den Bäumen fallen.
Eilas Knie wurden weich. Immer wieder hatte sie den ganzen Abend den Hals nach dem Vater gereckt, ihn aber bislang nirgendwo entdecken können, ebenso wenig wie Bernhard von Weißenborn. Waren die beiden abkommandiert worden, um Ida zu bewachen?
Eilas Plan geriet ins Wanken. Sie hatte ihn noch einmal mit allem bestürmen wollen, hätte ihn am liebsten eigenhändig vor den König gezerrt und um Frieden gefleht, aber die Szene von eben hatte sie eines Besseren belehrt. Raymond hatte Recht gehabt. Es würde kein Verzeihen geben, kein Vergeben, zumal Otto selbst dem eigenen Sohn gegenüber so hart blieb.
Hatte Adelheid dafür gesorgt?
Eila begann sie mit anderen Augen zu sehen. Kühl und anmutig stand sie in einem prächtigen weißen Kleid mit einem goldbestickten Gürtel neben dem König, fein lächelnd, als hätte sie mit alldem nichts zu tun, was um sie herum geschah.
Warum sollte Adelheid nicht zufrieden sein? Hatte sie doch alles erreicht, was sie wollte: die Freiheit, einen König zum Mann, ein neues Reich zu ihrem angestammten dazu. Berengar, ihrem früheren Widersacher, war nichts als die Flucht geblieben. Adelheid selber hatte es Eila erzählt; einer
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