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Liebe ist ein Kleid aus Feuer

Titel: Liebe ist ein Kleid aus Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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neben Eila Sigmar, seinen ehemaligen Knappen. Ihre Hochzeit war beschlossene Sache; danach würden sie zum Hof Ottos gehören, und damit würde er beide verlieren. Nein, er hatte sie bereits verloren, ebenso wie Oda, ebenso wie die schwarzhaarige Frau und den kleinen Jungen vor Oda. Die Bilder der beiden drängten sich machtvoll in sein Gedächtnis. Und zum ersten Mal seit langem wehrte Raymond sich nicht dagegen.
    Er hatte ihnen Böses angetan, sie verlassen, um die eigene Haut zu retten, sein neues Leben auf den rauchenden Trümmern ihres Lebens aufbauen wollen. Und er war damit gescheitert, verzweifelt und endgültig, das spürte der graue Wolf in dieser windigen Oktobernacht.
    Alles schien sich auf einmal gegen ihn zu verbünden; der Kelch der Hoffnung, aus dem er sich stets hatte laben können, war versiegt und leer. Wie ein Bleigewicht drückte ihn die Schuld, und es gab niemanden, der sie ihm von den Schultern nehmen konnte.
    »Raymond?«
    Im ersten Augenblick glaubte er an einen Traum, eine Vorspiegelung seiner ohnehin überreizten Fantasie. Aber es war kein Traum: Vor ihm stand Oda, bleich, mit aufgelöstem Haar und einem fleckigen, beschmutzten Kleid.
    »Wirst du mich jetzt töten?« Ihre Hände flogen nach oben, ihre Kehle bot sich ihm dar, weiß und unschuldig wie in jenen längst vergangenen Tagen. »Ich könnte dich sogar verstehen.«
    »Dich töten?« Er schüttelte den Kopf. »Wir sind nicht in der Schlacht, Oda.«
    »Bist du dir da sicher?« Jetzt war sie so nah, dass er sie riechen konnte. Etwas Metallisches strömte von ihr aus, etwas Herbes, Schweres. Blut!
    »Du bist verletzt?« Er konnte nicht anders, trotz allem, er sorgte sich um sie.
    »Das bin ich«, flüsterte sie. »Ich konnte es ihm nicht geben, ebenso wenig wie dir, Raymond. Ich bin keine Mutter, kann keine werden und darf keine sein, und wenn ich doch einmal ein Kind gebäre, dann muss es sterben.« Oda verdrehte die Augen, bis nur noch das Weiße zu sehen war.
    »Wer hat es getan?« Er verstand kein Wort von ihrem wirren Gerede, aber dass sie in größter Not war, das hatte er sofort verstanden.
    »Wer?« Ihr Lachen war schrill und verzweifelt. »Der rote Mönch, du, Bruder Rochus, der König... jeder von euch, keiner und doch ihr alle zusammen. Ihr seht mich nicht, sondern begehrt mich nur, und wenn ich zu euch komme und nicht bin, wie ihr es euch ausgemalt habt, dann stoßt ihr mich angewidert beiseite. Ich bin so müde, Raymond, so unendlich müde. Ich möchte nur noch eins: nach Hause.«
    Sie fiel in sich zusammen, noch bevor er bei ihr war, und als er ihr auf die Beine helfen wollte, spürte er, wie kraftlos ihre Glieder waren.
    »Der Fluch der Frauen«, wisperte sie und krümmte sich am Boden wie unter Schmerzen. »Warum nur trifft er mich um so vieles härter als all die anderen? Ich wollte doch nur leben, nur glücklich sein! Weshalb hat Gott mich so bestraft?« Jetzt weinte sie wie ein Kind, klammerte sich an ihn. »Ich weiß, du hasst mich«, sagte sie. »Und du hättest jeden Grund dazu. Aber lass mich jetzt nicht allein, Raymond! Bei der Gnade des Allmächtigen bitte ich dich darum, bring mich nach Hause! Verlass mich nicht!«
    Er zog sie hoch, behutsam, bis sie endlich wieder stand, an ihn gelehnt, wenngleich sehr schwankend.
    »Früher einmal hast du mich getragen …«
    Raymond zögerte, dann nahm er sie auf die Arme. Oda war nicht schwerer als damals, nur sein Rücken war um einiges steifer geworden, und er wusste, er würde seine Ritterlichkeit bitter büßen müssen, eine lange, lange Zeit.
    »Du hast Recht, Oda«, sagte er. »Wir gehen nach Hause.«

    Als das erste Licht kam, schlich Eila aus ihrem Gemach. Sie musste sich nicht einmal anstrengen, besonders leise zu sein, denn hier gab es keine misstrauische Herzogin gleich nebenan, die jeden ihrer Atemzüge argwöhnisch bewachte. Zu dieser zurückzukehren war deshalb keine Aussicht, die Eilas Herz schneller schlagen ließ. Die Kemenate der Königin war leer; sie hatte die Brautnacht beim König verbracht, wie der Brauch es verlangte. Adelheid hätte vielleicht ihre Freundin werden können, mit dem, was sie jetzt vorhatte, würde Eila sie sich jedoch auf ewig zur Feindin machen. Und doch stand ihre Entscheidung fest.
    Alles und jeder schien noch zu schlafen, so ausgiebig und fröhlich war gestern gefeiert worden. Aus diesem Grund traf sie niemanden auf ihrem Weg zu den Ställen, wenngleich aus dem Küchentrakt bereits die ersten Morgengeräusche drangen.
    Das Pferd

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