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Liebe ist ein Kleid aus Feuer

Titel: Liebe ist ein Kleid aus Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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einem kleinen Segensgruß mit Rose allein.
    Sie stand über ihr Pult gebeugt, die Ärmel ihres Kleides bis über die Ellenbogen zurückgeschoben, die bloßen Unterarme tintenbeschmiert.
    »Dachte ich mir schon, dass ich dich hier finde«, sagte er, bezaubert von dem warmen Lächeln, das sie ihm zur Begrüßung schenkte. »Deine Tante meinte, am liebsten würdest du hier auch noch dein Nachtlager aufschlagen. Es hörte sich an, als würde sie sich Sorgen um dich machen, Rose.«
    »Almut macht sich immer Sorgen«, erwiderte sie fröhlich. »Früher war ich ihr zu frech und dreist; heute bin ich ihr zu fleißig und fromm. Nicht ganz einfach, es Almut recht zu machen.« Sie lachte. »Soll ich dich zu Eila bringen? Sie erwartet dich voller Ungeduld.«
    »Später.« Er zögerte, schien um Worte zu ringen. »Zuerst wollte ich mit dir reden. Ungestört.«
    »Da bist du genau am richtigen Ort. Die frommen Schwestern zieht es nicht besonders häufig hierher, mit Ausnahme von Riccardis und Gerberga, aber die Erstere muss gerade ihr Nesselfieber auskurieren, und die Letztere hat einen Teil von Eilas Pflichten übernommen, reitet hinaus in die Dörfer, sieht zu, wie sie den Armen mit Medizin und Speck helfen kann.«
    »Du leitest jetzt das Scriptorium?«
    »Seit Martha im letzten Winter gestorben ist. Ich liebe diese alten Schriften. Allein sie anzufassen macht mich ganz ehrfürchtig.« Sollte sie ihm von ihrem nächtlichen Verseschmieden erzählen? Sie entschloss sich, zunächst abzuwarten, was er auf dem Herzen hatte.
    »Du siehst müde aus, Raymond«, sagte sie.
    »Dasselbe wollte ich eben zu dir sagen. Ich sehe dunkle Schatten unter deinen Augen, eine Haut, die von innen leuchtet, so blass ist sie. Bei mir ist es die Last des Alters, die mir jeden Tag an einer neuen Stelle zusetzt. Doch was ist mit dir? Du bist jung und solltest voller Kraft sein.«
    »Die Kraft spüre ich, aber offenbar verbrauche ich auch viel davon«, sagte Rose. »Bihilit hat von einer Kerze gesprochen, die an zwei Enden gleichzeitig brennt. Man kann es sich nicht aussuchen, wenn man eine solche Kerze ist.« Sie sah ihn offen an. »Ich denke, du weißt selber ganz genau, wovon ich spreche.«
    Was sie sagte, traf ihn mitten ins Herz, und dabei wirkte sie so jung, so zerbrechlich.
    »Ich wollte, ich könnte dich noch heute beschützen«, sagte er. »Wie damals, als du noch als kleines Mädchen auf meiner Burg gelebt hast. Weißt du noch?«
    »Hab wegen mir keine schlaflosen Nächte!«, sagte Rose. »SIE beschützt mich, die Heilige Jungfrau. Aber deinen warmen Schutz kann ich auch spüren, selbst wenn du weit weg bist. Du bist der Vater, Raymond, den ich mir immer gewünscht habe. Der Vater meiner Wahl.«
    Er senkte den grauen Schopf, starrte lange auf seine staubigen Stiefelspitzen. Als er wieder aufblickte, waren seine Augen feucht.
    »In Wahrheit bin ich ein schlechter Vater gewesen, Rose«, sagte er. »Ein sehr viel schlechterer, als du es dir jemals vorstellen kannst. Es gibt eine alte Schuld, die auf mir lastet. Ich hab sie auf mich genommen, um ein neues Leben zu wagen. Doch damals wusste ich noch nicht, dass man die Vergangenheit stets mit sich herumtragen muss – und dass die Last von Jahr zu Jahr schwerer wiegt.«
    »Aber Eila«, sagte Rose erschrocken, weil sein Gesicht auf einmal leidverzerrt war. »Eila hat doch immer …«
    »An Eila wollte ich gutmachen, was ich früher verbrochen hatte. Doch ich fürchte, nicht einmal das ist mir gelungen.«
    Rose lief zu ihm, schlang ihre Arme um ihn.
    »Wie kannst du das sagen! Eila liebt dich wie kaum eine Tochter ihren Vater. Deinetwegen würde sie alles tun.«
    »Ich weiß.« Raymond machte sich so steif, dass Rose die Arme wieder sinken ließ. »Und ich weiß auch, dass ich es nicht verdiene. In ihr entdecke ich manchmal, was Oda für mich hätte sein können – wäre alles anders verlaufen.«
    Er räusperte sich mehrmals, schien erleichtert, dass Rose inzwischen an ihren Platz zurückgekehrt war und das Pult wieder als schützende Barriere zwischen ihnen stand. Dann zog er plötzlich ein hölzernes Kästchen aus den Falten seines Mantels und stellte es vor sie.
    »Deshalb bin ich hier«, sagte er.
    Das Kästchen sah unscheinbar aus, war kleiner als eine Männerfaust, und dennoch ging etwas von ihm aus, dem Rose sich kaum entziehen konnte.
    Sie sah ihn fragend an.
    Raymonds Blick flog zur Tür, dann senkte er die Stimme zu einem Flüstern: »Es kann mich den Kopf kosten, wenn herauskommt, dass ich es

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