Liebe ist ein Kleid aus Feuer
vielleicht bereut hat. Es gibt keinen, der weniger verdächtig wäre als du. Du bist mein Mann, Raymond. Du – und sonst keiner!«
»Du verlangst von mir, dass ich deinen Vater …«
»Sei doch leise, um Himmels willen!« Liudolf packte ihn am Arm. »Wenn auch nur ein Wort davon nach außen dringt, sind wir verloren.« Er straffte sich, schien plötzlich zu merken, wie abschätzig der alte Ritter ihn musterte. »Ich verlange gar nichts. Ich bitte dich lediglich. Als dein Herzog, dein Feldherr – und vielleicht schon bald dein König.«
Raymond hielt den Blick gesenkt, sagte kein Wort.
»Wirst du es also tun?«, fragte Liudolf. »Für mich?« Er zögerte und fügte dann leise hinzu. »Für deine Oda?«
Es stach wie mit Nadeln in Raymond, seine Hände wurden unruhig, so gerne hätte er diesen Kerl für immer zum Schweigen gebracht, doch er zwang sich fast schon gewaltsam zu äußerlicher Ruhe.
»Ich muss die Sache überschlafen, Herzog«, sagte er gepresst. »Morgen erhältst du meine Antwort.«
JUNI 952
KLOSTER CORVEY
Als der dichte Regen endlich nachgelassen hatte, hielt es Eila nicht länger in der engen Kammer neben der Küche, wo Bruder Aedgit über ihrem einfachen Lager an straff gespannten Schnüren seine Kräuter trocknete. Jetzt kam es ihr vor, als verströmten sie ihr betörendes Aroma noch stärker als zuvor, als versetze dieses sie beinahe in eine Art Rauschzustand. Sie musste den Düften von Minze, Tausendgüldenkraut, Rosmarin, Anis und all den anderen Heilpflanzen, deren Wirkung er ihr voller Inbrunst erklärt hatte, entfliehen. Sogar ein paar fremde Namen waren bei seinem ellenlangen Vortrag gefallen, die sie halbwegs behalten hatte, Columella, der schon zu römischen Zeiten alles niedergeschrieben hatte, was man über Pflanzenanbau und Veredelung wissen musste, oder ein gewisser Dioskorides, dessen griechisches Kräuterbuch das Kloster in einer Abschrift besaß und als wertvollen Schatz hütete.
Mehr als ein freundlich-gelangweiltes Nicken hatte Eila für seine Ausführungen allerdings nicht übrig gehabt. War sie vielleicht Celia, die Infirmarin von Gandersheim, die an keinem noch so unscheinbaren Pflänzlein vorbeigehen konnte, ohne es näher zu untersuchen? Oder Malin, die mit dem gelehrten Bruder mühelos einen kenntnisreichen Wettstreit hätte beginnen können?
Eila stand der Sinn nach ganz anderen Dingen, auch wenn sie mit ihrem Anliegen noch keinen entscheidenden Schritt weitergekommen war. Ihr Herz war schwer, als sie barfuß den Garten betrat. Es störte sie nicht, dass noch immer ein paar Tropfen fielen und der Boden nass war. Bald schon würde die warme Frühsommernacht alle Feuchtigkeit gierig aufgesogen haben und die Blumen und Kräuter kräftig sprießen lassen.
Bestes Feldwetter, hätte der graue Wolf jetzt mit einem zufriedenen Lächeln gesagt. Feldwetter, das eine gesegnete Ernte versprach. Die Gewissheit, bald wieder bei ihm zu sein, war tröstlich, machte jedoch ihren Kummer nicht leichter.
Lando und sie – das ging nicht mehr recht zusammen, wollte sich nicht wie früher mühelos ineinander fügen. Gefühle waren reichlich da, das spürte sie, wenn sie zusammentrafen, und doch gelang keinem von ihnen das Kunststück, sie in die richtigen Worte zu kleiden. Mit allem, was Eila sagte, schien sie ihn über kurz oder lang zu verstören, dann zog er sich in sich zurück und flüchtete in die Sicherheit der Silberschmiede. Sein wahres Refugium aber war das Taubenhaus, ihm dorthin zu folgen, hatte sie aus einem inneren Impuls heraus bislang vermieden.
Es half ein wenig, wenn Bruder Lukas ihr aufmunternd zulächelte oder wenn sie während der Messfeier seinen warmen Blick auf sich gerichtet fühlte. Doch er war und blieb ein Mönch, war kein Freund oder Vertrauter, niemand, mit dem sie ihre innersten Kümmernisse hätten teilen können.
Wäre nur Rose hier gewesen! Die hätte sie verstanden, sie beraten, anleiten oder warnen können. Wenigstens darauf brauchte Eila nicht mehr lange zu verzichten. Sie hatte sich entschlossen, nach Gandersheim zurückzureiten, morgen schon, um dieses unerträgliche Warten auf ein Wunder zu beenden.
Den Teil des Gartens, wo die Blumenbeete angelegt waren und die Obstbäume standen, hatte sie bislang nur einmal betreten. Im silbrigen Licht der Mondnacht erschien er ihr wie ein eigenes, geheimnisvolles Reich. Mönche aus der Anfangszeit des Klosters hatten hier ihre letzte Ruhestätte gefunden, das wusste sie von Bruder Lukas, doch die
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