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Liebe ist ein Kleid aus Feuer

Titel: Liebe ist ein Kleid aus Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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verstummen. Hinter dem schimmernden Bergkristall war in der Mitte das schlichte Holzkästchen gut zu erkennen.
    »Öffne es!«
    Der Pater löste wieder die Haken und nahm das Kästchen heraus.
    »Weiter!«
    Er öffnete den Deckel. Der König warf einen kurzen Blick hinein.
    »Es ist tatsächlich leer«, sagte er, und nach einer Pause: »Wer von euch hat nun die Reliquie gestohlen?«
    »Niemand«, sagte Lando. »Weder Bruder Lukas noch ich. Das kann ich beim Leben meiner kleinen Schwester schwören. Und erst recht nicht Eila, wenngleich der Strick …«
    »Eila?«, unterbrach ihn der König. »Doch nicht etwa Eila von Scharzfels?« Er erhob seine Stimme. »Was soll ausgerechnet dieses Mädchen damit zu schaffen haben?«
    »Mehr, als du vielleicht glaubst, Sire.« Der Strick sprang nach vorn und begann aufgeregt herumzufuchteln. »Ich kann bezeugen, dass sie seine Geliebte ist, denn ich habe ihr Treiben mit eigenen Augen beobachtet. Sie war heimlich in Corvey, hat sich nachts in der Silberschmiede herumgetrieben und hatte, falls diese beiden Männer wirklich unschuldig sind, als Einzige Gelegenheit, das Kleinod an sich zu nehmen. Gut möglich allerdings, dass sie und Lando unter einer Decke stecken. Du musst sie festnehmen lassen. Nur so wirst du die Wahrheit erfahren.«
    »Mein Sohn ist kein Dieb …« Erst Algins unbarmherziger Griff brachte Gunna zum Schweigen.
    Sigmar, sehr bleich, rang nach Worten.
    »Soll ich Eila holen lassen, Sire?«, fragte er. »Uns ist bekannt, dass sie sich in Liudolfs Lager aufhält. Zusammen mit ihrem Vater Raymond. Willst du beide vernehmen lassen?«
    »Warte!« Otto schien noch nicht überzeugt. »Eila hat ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um die Königin zu befreien«, sagte er. »Was sollte sie dazu bringen, sich an einer königlichen Reliquie zu vergreifen?«
    »Sie ist und bleibt die Tochter ihres Vaters«, sagte der Strick. »Vergiss das nicht! Was, wenn Raymond sich durch ihre Hand an dir rächen wollte? Ich kenne ihn. Ich weiß, wozu er fähig ist!«
    Otto überlegte, dann schüttelte er schweigend den Kopf. Was Raimund und ihn verband war stärker als solch niedrige Beweggründe. So weit würde sein alter Vertrauter niemals gehen – nicht einmal jetzt.
    »Er ist zu Liudolf übergelaufen«, fiel nun auch der rote Mönch ein. »Aus freien Stücken! Und er ist in Begleitung von Oda nach Augsburg gekommen.«
    Die Miene des Königs hatte sich verfinstert. Zwei Argumente, die direkt ins Schwarze getroffen hatten, das war ihm deutlich anzusehen.
    »Soll ich sie holen lassen, Sire?«, wiederholte Sigmar. »Auf der Stelle, wenn du es wünschst.«
    »Nein«, sagte der König. »Keine Festnahme, noch nicht. Adelheid wird Eila einen Boten schicken. Das ist einfacher und ebenso sicher.«
    Algin fasste sich ein Herz und trat einen Schritt vor.
    »Und unser Sohn, Sire?«, fragte er. »Was wird nun mit Lando geschehen?«
    »Mit eurem Sohn habt ihr offenbar wenig Glück«, erwiderte Otto. »Vorerst verbleibt er hier in der Feste, zumindest so lange, bis wir die Wahrheit kennen.«
    »Lando ist kein Dieb!« Unter Tränen riss Gunna sich von Algin los. »Niemals würde er so etwas tun! Ich bitte dich von ganzem Herzen, mein König, mein Herr …«
    »Bete für ihn, Frau!«, sagte der König. »Bete für ihn!«

AUGUST 952
GANDERSHEIM
    Das große Fallen hatte sie mitten in ihrer Zelle überrascht.
    Als Rose wieder zu sich kam, brummte ihr Kopf, und sie schmeckte Blut. Dieses Mal war ihr Sturz offenbar nicht so glimpflich verlaufen. Sie war vornübergestürzt, mit halb geöffnetem Mund, und mehr als unsanft irgendwo angeschlagen, denn sie spuckte mit dem Blut auch ein ordentliches Stück Zahn aus.
    Ihr Zeigefinger glitt in den Mund und ertastete die raue Stelle. Der linke Schneidezahn. Jedes Lächeln, jeder Bissen würden sie ab heute an diesen Tag erinnern.
    Sie fror, obwohl es draußen schwülwarm war, und musste eine ganze Weile warten, bis das Zittern nachließ. Und natürlich stank sie wieder zum Gotterbarmen. Wenigstens war keine der anderen frommen Schwestern anwesend; dieses Mal würde ihr die verhasste Peinlichkeit, mitleidige Zuschauerinnen zu haben, erspart bleiben.
    Noch immer lag sie bäuchlings, den Blick fest auf die Stelle gerichtet, wo das Kästchen lag. Sie hatte es in der Hand gehalten, als das Übel sie überfiel; offenbar war es zu Boden gefallen und dabei aufgesprungen.
    Ihre Schwäche gestattete ihr, das zu tun, was sie sich bisher stets verboten hatte – einen Blick auf den

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