Liebe ist ein Kleid aus Feuer
er zu Eila zurückkehrte, war sein Gesicht bewegt.
»Märzenwinde und Aprilenregen verheißen im Sommer großen Segen.« Raymond lachte wie ein übermütiger Junge. »Mal sehen, ob des Meiers Sprichwort sich bewahrheitet. Er behauptet jedenfalls, die Ernte könne heuer überreichlich ausfallen. Meine Bauern scheinen allmählich zu begreifen, was es mit der Dreifelderwirtschaft auf sich hat, und lamentieren nicht länger, weil ein Teil des Landes dabei brachliegt.« Er kniff die Augen zusammen, weil die Sonne ihn blendete, und deutete ins Weite. »In diesem Jahr haben wir Gerste als Sommer- und Weizen als Winterfrucht, aber ich möchte, dass wir es im nächsten Jahr einmal mit Emmer und Dinkel versuchen.«
»Wozu?«, fragte Eila. »Das ist doch nur etwas für die Schüsseln der Armen. Ich mag mein Brot am liebsten weich und weiß.«
Er bückte sich schnell, packte einen Klumpen Erde und drückte ihn ihr die Hand.
»Ich will nicht, dass mein kluges Mädchen solch dummes Zeug schwätzt. Fühlst du die Erde? Spürst du, wie feucht und satt sie ist?«
Eila nickte beklommen.
»Dann riech auch an ihr!« Er griff in ihren Nacken und stieß sie grob hinunter. »Und begreif vor allem, was sie alles vollbringt! Ohne ihre Früchte könnte keiner von uns überleben, weder die, die das Land für uns bebauen, noch du und ich und all die anderen auf unserer Burg. Dafür setzen wir Ritter unser Leben ein – und sind dennoch ganz und gar abhängig von der Gunst der Erde. Erst neulich in Tilleda hab ich erfahren müssen, was der heiße Brand, der sich aufs Getreide setzen kann, aus den Menschen macht: die ganze Pfalz wie ausgestorben, König Ottos einstiger Stolz nicht viel mehr als ein Gräberfeld.«
Er verriet ihr nicht, wie bitter nötig er gute Ernteerträge hatte. Wenn der Zehnt nicht üppiger ausfiel als in den letzten Jahren, würde ihn das in ernste Schwierigkeiten bringen. Zu Ostern in Quedlinburg hatte er mit frischen Pferden, rostfreier Brünne und tadellosen Waffen zu erscheinen. Die Knechte mussten essen und trinken, der Tross ausgerüstet und unterwegs versorgt werden. Kurz vor seiner Abreise von Magdeburg hatte er munkeln hören, Otto trage sich mit der Idee eines Feldzugs gegen Hugo von Franzien. Hielt er deshalb Tag für Tag vergebens nach dem Boten des Königs Ausschau? Oder hatte der Herrscher seine Bitte als unverschämt empfunden und daher abgeschlagen? Vielleicht dachte Otto ja nicht einmal daran zu antworten. Jeder am Hof wusste, wie unstet er sein konnte, wie launenhaft. Seit dem Tod Edgiths, die ihm Standfestigkeit und Stärke verliehen hatte, musste man mit allem rechnen.
Eila starrte ihren Vater so erschrocken an, dass sein Unmut schnell wieder verflog. Was wusste sie schon von den Sorgen, die ihm den Schlaf stahlen? Sie war doch noch ein Kind, das einfach glücklich sein sollte!
»Siehst du die Pferde dort drüben?«, fragte er, um sie abzulenken.
»Die beiden braunen, die den Pflug ziehen? Es scheint sie gar nicht anzustrengen.«
»Einträchtig gehen sie unter dem Kummet und sind dabei doppelt so schnell wie Ochsen. Auch der schwere Räderpflug, der das Erdreich wendet und die fruchtbare Krume nach oben bringt, kann ihnen nichts anhaben.« Sie hörte unverhüllten Stolz aus jedem seiner Worte. »Jahr für Jahr werden meine Rösser stärker und ausdauernder. Ich bin mit den Zuchtergebnissen zufrieden, aber besser werden könnten wir natürlich noch immer.«
»Du darfst den Bauern nicht zu viel auf einmal zumuten, Herr«, sagte der Meier, ein kräftiger Mann mit wachen hellen Augen. »Sonst bekommen sie Angst, denken, du stehst im Pakt mit dem Leibhaftigen, und laufen dir davon!«
»Das haben bislang nur die Knechte und Mägde auf der Burg gewagt«, erwiderte Raymond nicht ohne Schärfe. »Aber damit ist es ab jetzt auch vorbei.«
Am liebsten hätte Eila bei seinen Worten laut gekichert, so erleichtert war sie, dass er ihr nicht mehr böse war. Ein frischer Wind war seit Raymonds Rückkehr in den Mief hineingefahren, an den sich alle während seiner Abwesenheit gewöhnt hatten. Er hatte neue Leute aus den umliegenden Dörfern verpflichtet, die nun auf der Burg dienten, und jeder strengte sich an, es ihm recht zu machen. Jetzt waren die Böden gefegt, Tische und Bänke mit Seife geschrubbt. Es gab keine Kienspäne mehr, die stinkend vor sich hin rußten, dafür spendeten Talg- und Öllampen in allen Räumen ausreichend Licht. Die zerschlissenen Schweinsblasen vor den Fenstern hatte er ebenso
Weitere Kostenlose Bücher