Liebe ist ein Kleid aus Feuer
war? Seine Laune verschlechterte sich, und Gissel, der seinen Herrn so gut kannte wie kaum ein anderer, entschuldigte sich, weil er anderswo zu tun habe. Bedrückt ging Raymond in den Stall zu Belle, die ihn freudig wiehernd begrüßte. Da kam plötzlich Eila zu ihm gelaufen.
»Der Strick ist wieder da«, rief sie atemlos. »Er will dich sofort sprechen.«
»Damit muss er sich schon bis nach dem Nachtessen gedulden«, raunzte er zurück. »Der Herr von Scharzfels hat anderes zu tun, als bei jedem Dahergelaufenen zu springen.«
»Du lässt ihn auf der Burg übernachten? Hier bei uns?«
»Sollte ich nicht?«
»›Häng einen Henkerstrick ins Taubenhaus! Einen, an dem schon einmal jemand gebaumelt hat. Dann bleiben deine Vögel auf ewig bei dir.‹ Das hat er mir gerade zugezischt.« Das Mädchen stockte. »Warum sagt er so etwas, Vater? Er macht mir Angst damit. Außerdem stinkt er wie alte Blumen, die im Wasser faulen. Das stammt von Rose – und ich finde, man könnte es nicht besser sagen.«
»Der Kerl hat ein Schandmaul und macht sich nun mal einen Spaß daraus, andere zu erschrecken«, sagte Raymond. »Hört einfach nicht mehr hin, oder besser noch: Meidet seine Nähe! Dann müsst ihr euch auch nicht mehr fürchten.«
»Kennst du ihn denn schon lange, weil du so gut über ihn Bescheid weißt?«
»Lang genug«, sagte Raymond.
Er nahm sich vor, ihn zur Rede zu stellen, aber als sie später zusammen vor dem Feuer saßen und die gewaltige Schüssel Hasenpfeffer vertilgt hatten, waren es ganz andere Dinge, die ihm durch den Kopf gingen. Oda hatte sich geweigert, die Kemenate zu verlassen, und sich dort offenbar von Malin auftragen lassen. Eila und Rose waren zwar bei Tisch erschienen, hatten ihr Essen aber wortlos hinuntergeschlungen und sich dann tuschelnd verzogen.
»Es geht der Herrin doch einigermaßen«, sagte der Strick schließlich. »Oder muss sie schon wieder das Bett hüten?«
Raymond blieb zunächst stumm.
»Ich wünschte, es wäre einfacher für sie«, sagte er nach einer Weile. »All diese Kinder, die nicht leben konnten, welch ein Unglück! Niemals hab ich gewollt, dass Oda so leiden muss.«
»Wir alle haben unsere Last zu tragen.« Der Strick klang vieldeutig. »Man kann es sich aber auch absichtlich schwer machen – und genau das tut sie.«
»Was soll das heißen?«
»Dass ich versucht habe, ihr Erleichterung zu verschaffen. Aber sie hat sich allem verweigert.«
»Lass sie einfach in Ruhe!« Es klang abschließend. »Mehr kann zurzeit wohl niemand für sie tun.«
»Bist du dir da sicher?« Der Strick deutete in Richtung Kapelle. »Oder hast du insgeheim bereits resigniert und schon wieder ein neues Kreuz in Auftrag gegeben?«
»Was willst du?«, fragte Raymond in gereiztem Ton. Am liebsten hätte er ihn am Kragen gepackt, ordentlich durchgeschüttelt und vor das Tor gesetzt, aber es gab mehr als einen Grund, das besser nicht zu tun.
»Helfen«, sagte der Strick, »nichts weiter. Ich weiß da eine Frau, die sich auskennt, besonders mit schwierigen Fällen. Vor Kurzem hab ich sie sogar zu euch auf die Burg gebracht, aber deine Oda hat sie im Handumdrehen wieder vertrieben.« Seine Augen wurden schmal. »Was – unter uns – nicht sonderlich klug war. Deine Schöne wird schon bald Unterstützung brauchen. Du willst ihr Schicksal und das des Ungeborenen doch nicht abermals in die Hände dieser alten Vettel legen wollen?«
Raymond leerte seinen Becher.
»Wer ist diese Frau?«, sagte er.
»Ragna hat alles, was sie weiß, und das ist eine ganze Menge, von ihrer Mutter. Einer schier endlosen Reihe von Müttern, wenn du so willst. Genau das Richtige also für eine gesunde, glückliche Geburt.« Der Strick legte den Kopf zur Seite. Im Schein des Feuers trat die wulstige Narbe an seinem Hals wie ein dick geflochtenes Band aus Fleisch hervor. »Wäre ich an deiner Stelle und Herr dieser Burg, ich würde …«
»Sag endlich, hast du es bei dir?«, unterbrach ihn Raymond. »Dann zeig es mir, anstatt dir weiterhin meinen Kopf zu zerbrechen!«
»Nicht so hastig!« Der Köder war ausgelegt. Der Strick spürte genüsslich, wie tief der Haken schon saß. Nun brauchte er nur noch die Zeit für sich arbeiten zu lassen, ein Handwerk, auf das er sich verstand. »So schnell wird sich die Angelegenheit nicht erledigen lassen.«
»Du hast es also nicht bei dir?«
»Das hab ich so nicht gesagt.«
»Spiel nicht mit mir, ich warne dich!«, stieß Raymond hervor. »Was, wenn ich aus der Schlacht nicht
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