Liebe ist ein Kleid aus Feuer
nutze sind?«
»Wozu sind Weiber sonst da? Außer zum Beschlafen und zum Söhne gebären?«
»Deine Frau hat dir eine Tochter geschenkt. Das allein schon sollte dich eines Besseren belehrt haben.«
»Gottfroh bin ich jeden neuen Tag, dass ich dieses Weib nicht mehr sehen muss!« Bernhard spuckte aus. »Ein Mädchen hat sie mir geboren, na und? Was soll ein Krieger wie ich mit einer Tochter anfangen, außer sie zu verheiraten oder ins Kloster zu stecken, was beides doch nur sein gutes Silber verschlingt. Du bist doch selber nicht damit zufrieden, dass du nur eine Tochter hast. Weshalb hast du sonst stets von einer stattlichen Söhneschar geträumt? Dein Haar wird grau, der Rücken krumm. Inzwischen hast du gewiss all diese Hoffnungen längst fahren lassen müssen.«
»Hör auf, so zu reden!«
»Ich glaub es nicht – er hofft noch immer! Du hast immer noch nicht genug von deiner eisigen Oda?«
»Wieso gehst du nicht endlich, bevor ich richtig wütend werde?«
Bernhard war weiterhin in Pöbellaune geblieben.
»Weshalb nimmt der König solche Kreaturen wie diese Hürchen überhaupt mit ins Feld, wenn sie auf Dauer doch nur Scherereien bereiten?«
»Weil Hitzköpfe wie du und deine Männer sonst vermutlich überlaufen würden. Und weil er Ritter braucht, die sich auf ihr Schwert konzentrieren, nicht auf ihre Rute!«
Sigmar starrte noch immer auf die tote Kati. Am liebsten hätte er sie in die Arme genommen, ihr seinen warmen Atem eingehaucht und sie damit wieder lebendig gemacht. Stattdessen tönten nach wie vor die streitenden Stimmen der beiden Ritter in seinem Ohr. Er schrak zusammen, als sich plötzlich eine Hand schwer auf seine Schulter legte.
»Sie hat es überstanden«, sagte Raymond. »Daran solltest du vor allem denken.« Er gab sich Mühe, so wenig wie möglich auf das Haar der Toten zu schauen, weil dessen Farbe ihn zu sehr an Eilas dichten Schopf erinnerte.
»Aber sie war doch so jung, fast noch ein Mädchen! Man hat sie umgebracht, und niemand hier wird zur Rechenschaft gezogen.«
»Wegen einer Feldhure? Wohl kaum! Doch was hätte das Alter einer wie ihr schon an Annehmlichkeiten gebracht? Jetzt steht sie eben etwas früher vor dem Ewigen Richter. Lass uns beten, dass er gnädig zu ihr sein wird!«
»Obwohl sie eine Hure war?«
»Der heilige Dionysos wird wohl ihr Fürsprecher sein«, sagte Raymond. »Zu ihm flehen Frauen wie sie, wenn sie in Bedrängnis geraten. Vielleicht war sie ja fromm, trotz allem. Und sagt nicht die Heilige Schrift, dass Gott ein einziger reuiger Sünder lieber ist als alle Gerechten auf einmal?«
Er fuhr sich mit der Hand über die Augen. Sigmar fiel auf, dass er zu dieser frühen Stunde bereits rasiert war und die Brünne trug.
»Du kommst von Algin?«, fuhr Raymond fort.
Sigmar nickte.
»Mein Schmied lässt dich nicht besonders viel schlafen zurzeit, wie mir scheint.«
Der Junge zog die Schultern hoch und grinste.
»Ich war einverstanden, dass du ihm zur Hand gehst. Aber auf Dauer kann ich keinen Knappen gebrauchen, der sich den ganzen Tag den Schlaf aus den Augen reiben muss.«
»Geht schon in Ordnung«, sagte Sigmar. »Ich weiß jetzt, dass er die Nacht braucht, um möglichst exakt zu arbeiten.«
»Es fängt an, dir Spaß zu machen, hab ich Recht?«
»Man lernt die Schwerter besser kennen, wenn man weiß, wie sie entstehen. Und ohne Schwert wird man nun mal kein Ritter. Das hab ich inzwischen auch gelernt.«
»Was schmiedet er denn die ganze Zeit? Soviel ich weiß, sind alle meine Waffen in tadellosem Zustand.«
Sigmar wirkte plötzlich verschlossen. »Ich glaube, ein paar Leute des Königs sind krank geworden. Für sie sollte er wohl einspringen.« Er trat einen Schritt zurück. »Weshalb bist du eigentlich schon so früh auf den Beinen?«
»Der König hat mich rufen lassen«, sagte Raymond. »Ich sollte ihn nicht warten lassen.«
Nachdem er die Wachen passiert hatte, ließ man ihn in das königliche Zelt eintreten, das sich nur durch die Größe von den anderen unterschied. Otto saß, in einen weiten Umhang gehüllt, an einem Klapptisch, vor sich zwei Wachstäfelchen, und schrieb. Als er Raymond erblickte, ließ er den Griffel sinken.
»Komm näher!«, sagte er. »Komm schon und schau!«
Verblüfft starrte Raymond auf das Geschriebene. Die obere Tafel, mit ordentlichen Buchstaben bedeckt, diente offenbar als Vorlage. Auf der unteren dagegen waren die Schriftzeichen krakelig, fielen wild durcheinander.
»Jetzt kennst du mein Geheimnis, Raimund.«
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