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Liebe ist ein Kleid aus Feuer

Titel: Liebe ist ein Kleid aus Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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werde ich dich holen lassen.«
    Der Strick erhob sich ächzend.
    »Verfüg über mein Leben, Sire«, sagte er geschmeidig. »Du könntest mir keinen größeren Gefallen erweisen.«

    Ottos Finger glitten über die Schnitzereien des Kästchens. Dann öffnete er es.
    »Eine Kostbarkeit, Sire«, sagte der Strick. Sie waren tatsächlich nur zu zweit in dieser großen Halle, ohne den dünnen rothaarigen Mönch, der sich vorhin so aufgeführt hatte, und Raymond, dem der König ebenfalls den Zutritt verwehrt hatte. »Ein Schatz, der in deine königlichen Hände gehört.«
    »Was soll das sein?«
    »Sieh doch nur!« Die Stimme vibrierte vor Begeisterung. »Das zarte Strahlen, das von ihm ausgeht – was sagst du dazu?«
    »Was ist es?«, wiederholte Otto.
    »Der Zahn des heiligen Petrus – und so gut erhalten, als hätte er noch gestern in seinem Mund gesteckt.«
    »Woher hast du ihn?«
    Der Strick zog die Schultern hoch.
    »Ich bin schon sehr lange unterwegs, Sire. Da ist es unmöglich, meine sämtlichen Quellen und Verbindungen einzeln aufzuzählen. Aber sie taugen alle etwas. Wer mit mir ins Geschäft kommt, muss sich nicht vor Fälschungen fürchten.«
    »Wer bist du überhaupt? Ich weiß noch nicht einmal deinen Namen.«
    »Alle nennen mich Strick. Ich hab mich längst daran gewöhnt.«
    Der König hatte den Zahn aus dem Kästchen genommen. Klein und weiß lag er auf seiner Handfläche. Er legte die andere Hand darüber.
    »Kostbare Dinge verschwinden manchmal«, sagte er. »Obwohl man sie sorgsam hütet, vielleicht sogar gerade deswegen. Hast du keine Angst davor?«
    »Nein«, sagte der Strick und ließ seinen Blick über die Wandteppiche gleiten, die silbernen Kandelaber, in denen Bienenwachskerzen brannten, das Bärenfell, das vor dem gemauerten Kamin lag. Sein Bauch war satt und rund von dem Wildschweinbraten, den er in Unmengen genossen hatte, nebst einigen Bechern heißen, gewürzten Weins. Selten zuvor in seinem Leben hatte er sich so wohl gefühlt. Er war entschlossen, diesen köstlichen Zustand so oft wie möglich zu wiederholen. »Denn dieser heilige Gegenstand hat endlich sein Ziel erreicht.«
    »Wir haben uns noch nicht über den Preis geeinigt.« Otto trat einen Schritt zurück. »Die Männer meiner Hofkapelle werden ebenfalls wissen wollen …«
    »Welchen Preis, Sire?«, unterbrach ihn der Strick. Wie wohlig ihm die Worte über die Zunge glitten! Kein Honigbad hätte sie geschmeidiger machen können.
    »Ich dachte, du bietest mir diese Reliquie zum Kauf an!« Otto begann ungehalten zu werden.
    »Zum Kauf? Aber nein, da hast du mich gründlich missverstanden! Sie ist ein Geschenk, Sire. Nimm sie an, ich bitte dich von Herzen!«
    Otto zog die Brauen hoch.
    »Gewähr mir diese Gunst! Und lass mich wiederkommen, das allein erflehe ich von dir. Denn diese Kostbarkeit in deinen Händen könnte erst der Anfang sein, viele weitere könnten folgen, falls du es wünschst.«
    »Was hat das alles zu bedeuten? Du sprichst in Rätseln.«
    »Nicht mehr lange.« Der Strick lächelte viel sagend. »Was hieltest du von einer Reliquie des Täufers Johannes?«
    »Seine Gebeine ruhen in Amiens«, sagte Otto kühl. »Ich selber habe dort kürzlich vor dem Schrein in der neuen Kathedrale gebetet.«
    »Seine Gebeine, Sire, das ist richtig. Doch wie verhält es sich mit seinem Kopf?«
    »Du behauptest allen Ernstes, den Kopf des Täufers zu besitzen?«
    »Nicht den ganzen. Aber immerhin dessen wichtigsten Teil.«
    Otto starrte ihn fassungslos an. Jetzt hatte er die ungeteilte Aufmerksamkeit des Königs, das wusste der Strick.
    »Was hieltest du von der Zunge des Täufers, Sire? Eben diese Zunge, die Jesus als den Messias verkündet hat? Nur ein Wort – und ich könnte sie dir beschaffen!«

NOVEMBER 946
BURG SCHARZFELS
    Erst als sie Paulas sehnige Flanken unter sich spürte, wurde Eila langsam ruhiger. Sie ritt am Waldsaum entlang, am Rand der kahlen Felder, die im Frühjahr wieder Frucht tragen würden, weil die Saat schon tief in der Erde schlummerte. Es war kalt geworden die letzten Tage, und Malin behauptete wie jedes Jahr, sie könne den kommenden Schnee bereits riechen.
    Das Mädchen fror nicht. Unter dem schweren Filzumhang mit der Kapuze trug sie die Beinlinge von Gissels Sohn, und das störende Kleid hatte sie sich wie einen dicken Wulst um den Leib hochgebunden. Ihre Füße steckten in hohen, derben Stiefeln, die sie dem Vater letztes Jahr abgeluchst hatte, als er sich neue hatte schustern lassen. Sogar kleine

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