Liebe ist ein Kleid aus Feuer
Hände. »Wieso löst du dein Haar nicht, wie die anderen Mädchen hier es tun? Mit dem Zopf könnte man dich glatt für eine Magd halten, so streng und ärmlich siehst du aus, mit offenen Haaren dagegen kannst du richtig hübsch sein.«
Die Sonne ließ Sigmars blonden Schopf glänzen, und er trug ein blaues, steifes Gewand, das sie noch nie an ihm gesehen hatte. Wenn er so spitzbübisch lächelte, wie gerade eben, glich er der Michaelstatue mehr, als Eila lieb war.
»Geht dich gar nichts an, wie ich …«
»Pst!« Er hatte ihre Hand gepackt und bevor sie sich versah, seine Lippen darauf gedrückt. »Nicht immer gleich aus der Haut fahren, wenn dir jemand was Nettes sagt! Ich freu mich schon auf den Tanz heute Abend. Du wirst doch mit mir tanzen, Eila, oder?«
Ihr wurde heiß, dann schwindelig, und das lag nicht nur an der Maiensonne. Nichts war auf einmal mehr so wie zu Hause auf der Burg, wo sie stets sicher und behütet war. Unter den Augen der vielen Fremden fühlte sie sich ausgeliefert, beinahe nackt. Und dennoch hatte die ungewohnte Situation einen prickelnden Reiz, dem sie sich kaum entziehen konnte.
»Vielleicht«, war alles, was sie herausbrachte.
Der Knappe lachte fröhlich wie über einen vorzüglichen Scherz.
»Die beste aller denkbaren Antworten«, sagte er. »Eine, die dich hungrig macht, aber nicht satt. Du hältst mich hin, und das gefällt mir. Wirst du mich eines Tages satt machen, Eila?«
Sie drehte ihm den Rücken zu. Jetzt schien Rose, die ihr zuwinkte, ihre einzige Rettung zu sein.
Gunnas geschickte Hände lösten den Zopf und breiteten die Haare über Eilas Rücken aus. Als sie zum Kamm griff, spürte sie, wie das Mädchen sich verspannte.
»Du musst keine Angst haben«, sagte sie. »Es wird nicht ziepen oder wehtun, das versprech ich dir!«
Und wirklich glitten die glatten Zinken ohne Widerstand durch die Strähnen und hinterließen eine knisternde Mähne in allen nur denkbaren Rotschattierungen.
»Was ist das nur für ein Kamm?«, fragte Eila. »Er muss wahre Zauberkräfte besitzen.«
»Schon möglich.« Gunna lachte. »Er ist aus Bein, das hab ich in der Einhornhöhle gefunden und anderes Wertvolles dazu, das uns vielleicht einmal gute Dienste leisten kann. Mein geschickter Algin hat ihn mir geschnitzt. Du ziehst das rote Kleid an?«
»Ich weiß nicht so recht.« Eila zog die Nase kraus. »Ist es nicht viel zu grell?«
»Ganz im Gegenteil! Mit deiner Haut und deinem Haar brauchst du kräftige Farben«, widersprach Gunna. »Komm, schlüpf hinein! Ich helf dir dann beim Gürtel, damit er gut sitzt.«
»Etwas Schmuck wäre noch schön.« Eila zupfte am Ausschnitt, der für ihren Geschmack zu viel von ihrer sommersprossigen Haut entblößte. »Ist es hier oben herum nicht viel zu nackt?«
»Schmuck brauchst du nicht«, sagte Gunna. »Wo deine Haut doch schimmert wie poliert und du den ganzen Sternenhimmel zur Schau stellen kannst! Lass dich einmal ansehen!« Sie trat einen Schritt zurück, legte den Kopf schief. »Ja, ich glaube, es könnte besser nicht sein!«
Eila drehte und wendete sich und genoss dabei sichtlich das Gefühl des ungewohnt weichen Stoffes, der gegen ihre Beine schlug.
»Da kann es eine mit dem Tanzen und Wiegen ja kaum noch erwarten«, sagte Gunna mit liebevollem Spott. »Bin ziemlich sicher, die jungen Männer werden bei deinem Anblick nicht mehr wissen, wohin mit ihren Augen!«
»Aber werde ich die Schritte auch können? Ich hab doch kaum Zeit zum Üben gehabt!«
»Ach, die lernst du im Nu! Nur eines musst du mir noch versprechen, sonst lass ich dich nicht gehen: Sei auf der Hut vor den frechen Draufgängern, und lass dich zu keinen Unvorsichtigkeiten verführen, auch wenn sie noch so galant verpackt daherkommen. Sonst dreht mir dein strenger Vater noch den Hals um.«
Beide lachten.
»Und nun zu dir, Rose!« Das Mädchen hatte ruhig auf dem Bett gesessen, als ginge es die ganze Aufregung nichts an. »Was stellen wir mit dir an?«
»Nichts«, sagte Rose, die aus einem Traum zu erwachen schien. »Ich bleibe genau so, wie ich bin.«
»Aber dein Kleid ist vom Reiten ganz zerdrückt und deine Haare …«
»Wenn du das Herz des Lebens erreichst«, sagte Rose leise, »findest du die Schönheit in allen Dingen. Das hat heute meine Tante gesagt.« Sie stand auf, strich Lenya, die inmitten des Geraschels längst eingeschlafen war, kurz über die Stirn, ging zum Fenster und sah hinaus. »Schade, dass es schon dunkel ist. Denn am liebsten würde ich wieder zu
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