Liebe Ist Furcht
sie aufrechterhalten und dennoch....
War es dumm zu sagen, es war wie eine Handtasche? Eine Handtasche, die sie schon seit eh und je gewollt hatte und dann endlich bekommen hatte, und nun bemerkte sie, dass die Öffnung vielleicht zu klein war oder sie ihr von der Schulter rutschte, wenn sie doch an Ort und Stelle bleiben sollte. Die Realität war nicht so gut wie die Fantasie .
Und jetzt war sie hier mit Lucas in diesem winzigen Raum, mit seinem Blut, das durch ihre Adern strömte. Und diese winzigen Moleküle ihres eigenen Blutes in ihm. Sie fühlte sich anders, leicht abgelöst von sich selbst, als ob ein Teil ihrer Seele vor ihr baumeln würde, eine Nabelschnur zu Lucas, so dass sie selbst nicht länger nur sie selbst war.
Sie könnte schwören, dass ihr Herz auch anders schlug. Fast deutlicher. Das Klopfen war etwas widerhallender, als wäre sie in einer dauerhaften Meditation oder in dem Augenblick, bevor man ohnmächtig wird — eine Sekunde, bevor alles schwarz wird.
Und daher erwischte sie sich dabei, Lucas anzusehen, obwohl sie wusste, dass sie gar nichts ansehen sollte. Sie beobachtete ihn und alles, was er tat. Als er Holz ins Feuer legte und sich die Hände abwischte. Als er mit einer geschmeidigen Bewegung aufstand und sich geistesabwesend mit einer Hand durch das Haar fuhr. Und gelegentlich rollte er mit den Schultern, als wäre er verspannt.
Er beobachtete sie auch. Nicht offenkundig, aber sie war sich dessen bewusst und vermutete, er wollte, dass sie wusste, dass er an sie dachte. Sie sah, wie er sie aus dem Augenwinkel beobachtete oder ihr kurz ein flüchtiges Lächeln schenkte, ein kurzes Aufblitzen, eine Merkwürdigkeit. Und dann einmal, als er sehr abgelenkt schien, war er mit einem Blinzeln wieder zu sich gekommen und hatte ihr zugenickt, als könnte er sich nicht genau daran erinnern, wer sie war oder warum er hier war.
Keine Unterhaltung, kein Sprechen vom Essen oder Trinken. Sie hatten sich einfach hingelegt und so getan, als schliefen sie. Sie wollte neben Lucas liegen, sich an seinen Körper kuscheln oder ihren Kopf auf seinen Schenkel legen, als er an die Wand gelehnt dasaß, aber sie konnte es nicht. Jack war unberechenbar, und sie machte sich Sorgen darüber, dass sie ihn wieder zum Explodieren bringen würde.
Es hatte einen Moment gegeben, als sie Augenkontakt hergestellt hatten und sie sich an Hawaii erinnert hatte. Die wenigen Nächte, in denen sie einander umarmend geschlafen hatten.
Es machte sie auf einer grundlegenden Ebene traurig, und das lag nicht nur daran, dass in diesen wenigen Tagen etwas verloren gegangen war, sondern an der Vergeblichkeit des Ganzen. Sie hatten einander so fest gehalten, dass nicht einmal ein Laken zwischen sie gepasst hatte.
Jeden Morgen hatte sie einen steifen Hals gehabt, weil sie sich so fest aneinander geklammert hatten. Ihr Herz verkrampfte sich ein bisschen in ihrer Brust. Es gab keinen Grund sich selbst zu verarschen. Sie wusste, warum sie sich so verzweifelt aneinander geklammert hatten. Weil ihre Beziehung flüchtig war. Es war nicht etwas, an das sie sich gewöhnen würden, doch sie hatte gehofft, dass, wenn sie eng genug bei ihm schliefe, ihn in den nächtlichen Stunden fest genug hielte, sie immer in der Lage sein würde, sich daran zu erinnern, wie es sich anfühlte in seinen Armen zu sein.
Oder dass es vielleicht funktioniert hätte.
Sie fühlte eine Träne auf ihre Hand tropfen, und ein Stofftaschentuch baumelte augenblicklich vor ihrem Gesicht. Sie sah durch einen Schleier von Tränen auf und sah Lucas, sein goldenes Haar verschwommen, sodass es wie ein Heiligenschein wirkte.
Sie nahm das Stofftaschentuch, presste es sich auf die Augen und wandte sich von Jack und Rachel ab, in der Hoffnung, dass sie sie in Ruhe lassen würden. Sie wusste, dass sie es bemerken würden. Sie kam nie mit Tränen davon, wenn sie es wirklich musste.
Der Stoff war fein, gebügelt und gepresst, aus Leinen gemacht, das nach Rosmarin und Sandelholz roch. Nur eine Spur von angenehmem Duft aus einer anderen Zeit. Und, wirklich, wann war eigentlich das letzte Mal, dass jemand ein Stofftaschentuch benutzt hatte? 1960?
Lucas glitt an der Wand hinunter und setzte sich neben sie. Ohne sich auf sie zu zu bewegen oder irgendetwas zu machen, um Jack zu provozieren, wofür sie dankbar war. Aber seine Hand war geöffnet und neben ihr, nur wenige Zentimeter von ihrem Schenkel entfernt, und sie wusste, dass sie seine Hand nehmen konnte, dass er ihr einen
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