Liebe Ist Furcht
verborgenen Trost anbot. Einen Weg berührt zu werden, ohne dass die anderen es sahen, und sie wollte es — so sehr, dass sie einen Augenblick lang einen geisterhaften Händedruck auf ihrer Handfläche spürte.
Aber sie ließ es bleiben. Wendete den Kopf ab und streckte sich aus, blieb einfach auf dem Boden liegen. Bettete ihren Kopf auf ein kleines Kissen, das zurückgelassen worden war.
Von wem?
Kapitel 30
Valerie wusste, dass sie träumte. Sie war wieder an dem Teich, aus dem Lucas sie herausgezerrt hatte, aber jetzt war er nirgendwo zu sehen.
„Werdet Ihr jetzt hineingehen?“, fragte Cerdewellyn sie, während er auf das Wasser deutete.
„Warum?“, fragte Val.
„Ihr müsst zu der Insel gehen, die Blume holen und sie dann zu mir zurück bringen.“
„Welche Blume?“ In der Mitte des Teiches war eine kleine Insel mit einem einzigen Baum und einige, zusammengedrängte Sträucher. Sie sah keine Blumen.
Er neigte seinen Kopf, und sie sah erneut hin. Eine schöne Blume wie ein Paradiesvogel war da, ganz alleine. Wie hatte sie das verpasst? Val lief auf das Wasser zu, doch er hielt sie mit einem Wort zurück.
Hatte er ihren Namen gerufen? Sie konnte sich nicht erinnern, was er gesagt hatte, als ob er nichts laut ausgesprochen hätte. Seine Hände waren an ihrem Rücken, lösten die Bänder ihres langen grauen Kleides. Seine Berührung war unpersönlich, so leicht und schnell, dass sie es gar nicht bemerkt hätte, wenn sie nicht gefühlt hätte, dass sich ihr Kleid lockerte.
„Das Kleid ist zu schwer. Es wird Euch unter Wasser ziehen. Versteht Ihr?“, fragte er.
Sie nickte, und das Kleid staute sich zu ihren Füßen, ließ sie im Unterkleid zurück. Sie fragte sich, ob sie das auch ausziehen sollte, wollte es jedoch nicht und fühlte , wie er ,nein‘ zu ihr sagte.
Stimmte das? Hatte sie es gefühlt?
„Wo ist Lucas?“
Die Hand an ihrem Rücken hielt inne. „Er wird nicht wieder stören. Nicht hier. Seine Verbindung zu Euch ist allerdings stärker. Ihr müsst damit aufhören, sein Blut zu nehmen, oder Ihr werdet nie von ihm befreit sein. Je mehr Ihr von ihm trinkt, desto mehr werdet Ihr es wollen. Und für ihn ist es genauso. Mit jedem Austausch wird er Euch mehr begehren, bis er Euch verschlingt. Aber jetzt, da Ihr hier seid, kann ich Euch beschützen.“
Die Bedeutung seiner Worte entglitt ihr, während sie in das Wasser stieg und tiefer hinein ging. Das kalte, trübe Wasser schwappte an ihrem Körper hinauf, teilte sich fast für sie, liebkoste sie, während sie zu der kleinen Insel schwamm.
Es dauerte nicht sehr lange, zwanzig Züge, vielleicht ein paar mehr, und sie konnte den Grund vor der Insel berühren. Der Boden patschte unangenehm, Schlamm und scharfe Steine piekten sie. Einer der Steine bohrte sich in ihren Fuß, und sie schrie auf und humpelte zum Ufer. Sie setzte sich am Strand nieder und umfasste ihren Fuß mit den Händen. Ein kleiner, weißer Stein ragte aus ihrer Ferse heraus.
Sie zog ihn heraus, Blut tropfte überall um sie herum, und dann untersuchte sie den Stein. Er war eigenartig. Ein leuchtendes Weiß, winzige scharfe Spitzen an einer Seite. Ihre Hände zitterten. Es war kein Stein. Es war ein menschlicher Zahn. Val ließ ihn fallen und hastete auf die Insel, wobei ihre Füße im Schlamm wegrutschten.
Warum sollte da ein Zahn auf dem Grund des Teiches sein? Worauf war sie sonst noch getreten? All diese scharfen Dinge, von denen sie angenommen hatte, dass es Steine waren... was, wenn es Knochen waren? Ihr Zeh war in eine Muschel geschlüpft, und sie hatte es ignoriert, aber... was, wenn es ein Schädelknochen gewesen war? Was, wenn das Ding, auf das sie getreten war und das dabei geknackt hatte, ein Kieferknochen gewesen war?
Sie wollte sich übergeben, fühlte Galle ihren Hals hinaufsteigen, als sie an die glitschigen Dinge, die sie berührt hatten, dachte. Kein Seegras. Ihr kam ein Bild von Häuten, nass und glatt, die im Wasser an ihr vorbeiglitten.
Wer war in diesem Wasser gestorben? Nein, das war nicht die richtige Frage. Wie viele waren in diesem Wasser gestorben?
Ihr Magen verkrampfte sich, und sie würgte, aber ihr Magen war leer, so dass trockene Krämpfe ihren Körper beutelten. Sie wünschte sich fast, dass sie etwas gegessen hätte, nur um das Zusammenziehen ihres Körpers, der stärker und stärker versuchte sich von nichts zu reinigen, zu dämpfen.
Sie brach auf dem Boden zusammen, umklammerte ihre Knie und sah auf das braune Wasser
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