Liebe ist jenseits von Gut und Böse (Die Ostküsten-Reihe) (German Edition)
auf das graue und äußerst mitgenommen wirkende Shirt, das Connor unter seiner schwarzen Lederjacke trug. Auf dem Stoff waren deutlich mehrere verschieden große, eingetrocknete Blutflecken zu erkennen, die ihn unwillkürlich an seinen weißen Pullover erinnerten, der in Raum 2 der Notaufnahme zerschnitten auf dem Boden gelegen hatte, so voller Blut, dass die Schwester auf ihm ausgerutscht war, während er auf der Untersuchungsliege das erste Mal starb.
„Dan? Ist alles in Ordnung?“
„Du hast Blut auf deiner Kleidung“, murmelte Daniel tonlos.
Connor sah an sich hinab. „Ach das“, meinte er dann abwinkend und zog die Tür auf. Daniel folgte ihm nach draußen zum Wagen. „Tristan hat mir mal eins auf die Nase gegeben, das ist alles. War keine große Sache und ist auch schon eine halbe Ewigkeit her, aber ich kann mich trotzdem nicht von dem Shirt trennen.“
„Hm“, machte Daniel nur und runzelte die Stirn, als Connor die Winchester auf die Ladefläche des Pick up legte, eine weiße Plane über die Waffe schob und die Patronen in seine Jackentasche steckte, bevor er sich wieder zu ihm umdrehte. „Dein Vater braucht ein Gewehr?“
Connor sah ihn verständnislos an. „Ja.“
„Warum?“
„Dan, was soll die Frage? Fast alle Leute in dieser Stadt haben eine Waffe.“
Für diese Aussage, hätte Daniel Connor am liebsten geschlagen. „Na und? Wenn irgendein Typ von einer Brücke springt, springst du doch auch nicht hinterher.“
Jetzt war er zu weit gegangen, denn Connor verschränkte die Arme vor der Brust und verlagerte sein Gewicht auf einen Fuß. „Ich habe keine Ahnung, was im Augenblick mit dir los ist, aber du solltest es nicht übertreiben. Wir brauchen das Gewehr zum Schutz...“
„Wovor?“, unterbrach Daniel ihn giftig und ärgerte sich darüber, als Connor ihn daraufhin äußerst gereizt ansah. Trotzdem konnte er sich nicht zurückhalten. „Wofür braucht man in dieser Stadt ein Gewehr? Ich habe hier jedenfalls noch keinen verrückten Michael-Myers-Verschnitt herumrennen sehen und Jason Voorhees hat kaum...“
„Schwarzbären.“
Daniel stutzte irritiert, als Connor ihn urplötzlich unterbrach und ihm nächsten Moment fiel ihm auf, wie stark sich dessen sonst hellblaue Augen verdunkelt hatten. Connor war ganz offensichtlich stinksauer, was seinen eigenen Ärger ins Nichts verschwinden ließ. Dafür stieg die bekannte Angst in ihm auf, sehr viel heftiger als zuvor im Laden.
„Was?“, fragte er sehr vorsichtig und wich unwillkürlich einen Schritt zurück, als Connor die Brauen zusammen zog.
„In den umliegenden Wäldern gibt es Schwarzbären und diese Tiere haben einen sehr guten Geruchssinn. Ohne ein Gewehr in der Tasche, um sie damit im Notfall vertreiben zu können, geht in dieser Stadt niemand campen oder fischen. Es wäre zu gefährlich. Und das hätte ich dir auch gesagt, Dan, wenn du nicht sofort, nachdem du mich im Laden entdeckt hast, Gift und Galle gespuckt hättest. Was, zum Teufel, sollte das eben?“
Daniel lief knallrot an, als ihm nach Connors Erklärung aufging, was er gerade getan hatte. Anstatt seinen Verstand zu benutzen und ein klein wenig das logische Denken zu bemühen, war er wie eine sprichwörtliche Furie auf Connor losgegangen. Dabei wusste er aus Reiseführern und Büchern, die er über Maryland gelesen hatte, dass der Bundesstaat neben einer ganzen Reihe von Naturschutzgebieten, auch eine umfangreiche Tierwelt, inklusive Bären, besaß.
Hatte er daran gedacht? Nein. Hatte er überhaupt nachgedacht, bevor er wegen dieser blöden Waffe ausgetickt war? Wieder nein. Er hatte nur das Gewehr gesehen, die Gefahr – und seine eigene Scham, weil er ohne Waffe nicht existieren konnte.
Verdammt.
„Es tut mir leid, Connor“, murmelte er zu Tode verlegen.
„Das sollte es auch“, meinte der kühl und wandte sich ab, um die Wagentür zu öffnen. „Dan“, sagte er dabei leise, „nicht jeder, der eine Waffe in die Hand nimmt, ist ein Mörder.“
Nach den Worten stieg Connor in seinen Pick up und fuhr davon. Daniel blieb auf dem Gehsteig zurück und sah dem sich entfernenden Wagen nach. Damit war es amtlich. Er war ein Vollidiot und nach dem unmöglichen Auftritt hatte er Connor Bennett garantiert zum letzten Mal gesehen.
- 3. Kapitel -
Tagebucheintrag, 14. August
Seit meinem Einzug ins Haus vor zwei Wochen, hat sich eine gewisse Routine in mein Leben geschlichen.
Das gefällt mir und beruhigt mich. Viele andere Menschen würden vermutlich
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