Liebe ist jenseits von Gut und Böse (Die Ostküsten-Reihe) (German Edition)
auf uns wartete. In dem Moment begriff ich. Ob es sein Blick war oder die Art, wie er an der Schuppentür lehnte, die Arme vor der Brust verschränkt und die Lippen zusammengepresst, kann ich nicht mehr sagen. Ich weiß nur noch, dass ich stocksteif stehen blieb und Tristan ansah. Er hatte denselben Gesichtsausdruck wie Dad. Ich geriet in Panik.“
Daniel blieb der Mund offen stehen als er verstand, was Connor ihm gerade erzählte. „Sie wussten es.“
Connor nickte und rieb sich die Augen. Daniel konnte die Tränen in dessen Gesicht nicht sehen, dazu war es trotz des Feuers zu dunkel, aber er spürte, dass sie da waren. „Connor...“
„Nein“, wehrte der ab und da hörte er, dass Connor weinte. „Lass mich einfach weiter reden, okay?“
„Okay“, murmelte Daniel, obwohl er sich damit nicht wohl fühlte.
„Ich wollte weglaufen, aber Tristan stellte sich mir in den Weg. 'Du musst mich schlagen, wenn du an mir vorbei willst', hat er zu mir gesagt und meinte das todernst. Ich könnte Tristan niemals schlagen, aber körperlich ist er mir völlig unterlegen. Er hat die Statur von Mum, ist groß und schlank, während ich nach Dad komme, wie du ja mittlerweile weißt. Deswegen war der auch da, um mich an einer Flucht zu hindern.“
„Woher wussten sie es?“, fragte Daniel leise. Eigentlich kam nur einer in Frage, aber er konnte sich nicht vorstellen, dass der aus freien Stücken mit der Wahrheit herausgerückt war.
„Von meinem Banker.“
Daniel sah Connor verblüfft an, was dem ein trauriges Lächeln mit anschließendem Schulterzucken entlockte. „Der Typ hat es ihnen erzählt?“ Er konnte es kaum glauben.
„Ja. Tristan ist zu ihm gefahren, ein paar Tage, nachdem ich im Sommer bei ihm abgehauen war. Er quetschte die ganze Geschichte aus meinem Ex heraus. Danach brauchte er Urlaub und ist bei seinem Freund für eine Woche untergetaucht, bevor er sich dann bei einem Psychologen ausführlich über die Spätfolgen von Vergewaltigungen informiert hat. Schließlich weihte er Dad, Mum und Violett ein, und dann fingen sie an diesen Plan zu schmieden. Unterstützt von Prof. Dr. Matt Wilburne, meinem Psychologen, aber dazu komme ich später noch. Ich stand also vor meinem Bruder, mit Dad im Rücken und hatte keine Ahnung, was ich machen sollte. Und dann versetzte Tristan mir den Todesstoß. 'Komm schon, du willst es doch auch', flüsterte er auf einmal leise. Genau die Worte hatte mein Banker in jener Nacht zu mir gesagt. Als Reaktion habe ich ihm auf die Schuhe gekotzt und bin zusammengeklappt. So wie du im Badezimmer von Grandma. In dem Moment war mir klar, dass du etwas Ähnliches durchgemacht haben musstest wie ich und habe dir geholfen, wie mein Bruder mir geholfen hat.“
Connor gähnte und setzte sich auf, um frisches Holz auf das nur noch glimmende Feuer zu legen und erneut etwas zu trinken.
„Danach fehlt mir Einiges, aber ich weiß noch, dass ich geheult habe wie ein Schlosshund. Den Rest hat mir Tristan später erzählt. Er und Dad brachten mich ins Haus, in Tristans altes Zimmer. Ich habe stundenlang in seinen Armen geweint. Irgendwann bin ich dann eingeschlafen und habe das restliche Wochenende die meiste Zeit schlafend im Bett meines Bruders verbracht. Dort war ich sicher, weil Tristan auf mich aufpasste. Von einem Extrem ins Nächste, hat Doc Wilburne später gesagt.“
„Was meinst du damit?“
„Wart's ab, das Beste kommt noch.“ Connor legte sich wieder hin. „Ich hing mich an Tristan, wie früher auch, aber dieses Mal fand er das überhaupt nicht lustig. Am Montagmorgen fuhr er zurück nach Baltimore, mit meinem Versprechen, dass ich eine Therapie machen würde. Ich hatte einen Termin beim Doc, noch am selben Tag.“
Daniel seufzte verstehend. „Du bist nicht hingegangen, oder?“
„Natürlich nicht. Ich war der Meinung, dass ich schon irgendwie bis zum nächsten Wochenende durchhalten würde, bis Tristan wieder kam. Wieso die ganze Sache weiter durchkauen, es wussten doch alle Bescheid. Das muss reichen... dachte ich.“
„Wie lange hast du es geschafft?“
Connor grinste humorlos. „Am Mittwochabend war ich ein Wrack, weil ich keine einzige Nacht geschlafen hatte, ohne schreiend aus den schlimmsten Alpträumen aufzuwachen, in denen ich immer wieder vergewaltigt wurde. Ich betrank mich, in der irrsinnigen Hoffnung, die Zeit würde schneller vergehen und nahm Tabletten, um überhaupt schlafen zu können. Meine Wohnung verließ ich nur noch, wenn es unbedingt sein musste.
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